Erinnerungen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
dimity74 Avatar

Von

Selbst wenn man noch nie auf Sylt gewesen ist, kann man mit Sicherheit irgendetwas erzählen, das man mal über die Insel gelesen, oder gehört hat. Halbwissen aus einer bunten Illustrierten beim Friseur, über Politiker, Promis, und Sternchen, die dort leben, lieben, feiern. Wer es sich leisten kann macht Urlaub auf der Insel, um teilzuhaben an all diesem Glanz und Glamour und auf der Heimreise wird dann im Auto mitgegröhlt, wenn die Ärzte ihre Sehnsucht nach Westerland besingen. Was halten wohl die Einheimischen von diesem Trubel, diesem Hype, der um ihre Heimat gemacht wird? Ich habe mich das im Urlaub schon oft gefragt. Was denken wohl die Bewohner eines überlaufenen Urlaubsortes über die Horden von Touristen, die tagtäglich an ihren Vorgärten vorbeiziehen?

Susanne Matthiessen ist eine Einheimische, ein echtes Kind der Insel sozusagen, von denen es heute keine mehr geben wird, weil die Geburtsstation auf der Insel aus Kostengründen geschlossen wurde. Sie beleuchtet soche Dinge in ihrem Buch ebenso, wie die absurden Auswüchse des Baubooms, oder die Wohnungsknappheit für Einheimische und Arbeitskräfte. Das Hauptaugenmerk liegt aber im Blick in die Vergangenheit, ihre Kindheit in den 70ern auf dieser kleinen Insel, die der Nordsee trotz.

Die Autorin erzählt mit viel Humor und einem Hauch Nostalgie über ihren Alltag zwischen Strand, Feriengästen und dem Pelzgeschäft ihrer Eltern, das Dreh - und Angelpunkt des Familienlebens ist. Ihre Erinnerungen zeugen von der unglaublichen Beobachtungsgabe von Kindern, man sagt ja nicht umsonst, sie bekommen mehr mit als man denkt. So erfährt der Leser einiges über den Alltag der Insulaner, wie sich alles um die Feriengäste dreht, wie innerhalb der Saison sogar die eigene Familie hinten angestellt wird, damit die Touristen ihren perfekten Urlaub erleben und möglichst ihr Geld auf der Insel lassen, schließlich muss, was in der Saison verdient wird die Familie über den Winter bringen. Man erfährt aber auch viel über den Zusammenhalt unter den Insulanern und über Sylter Originale.

Die Titel der einzelnen Kapitel sind eine Hommage an die Eltern der Autorin und deren Leidenschaft, ihr Pelzgeschäft. Vom Großvater gegründet, vom Vater übernommen und mit dem unermüdlichen Einsatz der Mutter zu einer Institution gemacht, nimmt es im Buch genausoviel Platz ein, wie im Leben der Autorin. Die teilweise sehr ausführlichen Beschreibungen der Herstellung der Pelzmäntel, die Erklärungen über Vorzüge der einzelnen Felle, all dies ist für Tierschützer vielleicht nicht unbedingt geeignet. Aber schließlich schreiben wir eine ganz andere Zeit, Pelz war in, Pelz war Statussymbol und ist sinnbildlich für den damaligen Lifesty auf der Insel.

Das Buch ist aber nicht nur eine bunte Reise durch die 70er. Kommt die Autorin in die Gegenwart, dann kommen auch die kritischen Stimmen und der Ton des Buches wird ernster. Die Einheimischen sind längst nicht mehr Herr auf ihrer Insel, jeder will mittlerweile mit der Marke Sylt verdienen und die Folgen des jahrelangen Ausverkaufs sind heute deutlich spürbar. Die Autorin rechnet ab mit Denen, die sich für drei Wochen im Jahr ein riesiges Feriendomizil in die Dünen setzen lassen und dabei keinerlei Rücksicht nehmen, weder auf Umweltschutz, noch auf die Befindlichkeiten der Einheimischen.

Das Buch ist eine Werbung für die Insel, die perfekte Strandkorblektüre, ich habe es aber auch ein Stückweit als Mahnung verstanden, den das typische, dieser besondere Menschenschlag, der persönliche Sylt -Verein der Autorin, ist mittlerweile vom Aussterben bedroht.