Sylt – eine Kindheit im Luxus-Pelzgeschäft

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miltonia 01 Avatar

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Ich bin etwas jünger als die Autorin, aber viele Begebenheiten und Persönlichkeiten, in denen sie in ihren Anekdoten erzählt, sind mir auch gut bekannt.

Das Buch ist kein Roman im üblichen Sinn, sondern besteht eher aus einzelnen Skizzen, die unterschiedliche Zeiten aus der Kindheit der Autorin beschreiben. Sie lebt mit ihren Eltern auf Sylt, die Eltern betreiben ein luxuriöses Pelzmodengeschäft und vermieten nebenbei ihr Haus an Feriengäste. Dabei fallen die Kinder ein Stück weit hintenunter, was aus heutiger Sicht schon nahezu an Kindeswohlgefährdung grenzen würde, war damals völlig normaler Alltag. Und es bot den Kindern ein beträchtliches Stück mehr an Freiheit, als es heute in vielen Familien üblich ist. Allerdings war das Leben der Eltern auch nicht nur Heiterkeit, der Dienst an den zwar meist sehr reichen, aber auch nicht unkomplizierten Kunden samt abendlicher Betreuung und Unterhaltung muss zumindest in der Saison auch extrem anstrengend gewesen sein.

Nebenbei erfährt man einiges über die damals Schönen und Reichen und ihre Eigenheiten, Probleme und Problemchen. Wie z. B. „Was schenkt man der besten Freundin, wenn diese immens reich ist, alles hat und sich alles leisten kann?“. Auch das gibt es in dieser Form schon lang nicht mehr und ein bisschen Wehmut schwingt auch immer mit.

Aber nun hat der Zeitgeist das Pelzgeschäft schon lang in den Ruin geschickt, das Elternhaus ist verkauft und neue Ferienhäuser stehen dort, die Kinderfreunde betreiben mal sehr, mal etwas nicht ganz so lukrativ ihre Hotels und Ferienappartements und haben auch mit der Kehrseite des großen Tourismusbooms zu kämpfen. Wer alles an Wohnraum an die Touristen vermietet, entzieht damit auch seinen Angestellten den Wohnraum und muss sich nicht wundern, dass Handwerker und Reinigungspersonal knapp werden.

Diese Probleme des Tourismus, die ja nicht nur auf Sylt, sondern auch in bestimmten Alpendörfern und sonstiges Hotspots auftreten, behandelt die Autorin in Pro- und Epilog. Aber die Genehmigungen für Luxushotels und –resorts im Naturschutzgebiet fallen ja nicht vom Himmel, sondern werden eben von den Behörden und Politikern der einzelnen Kommunen erteilt, die wiederum von der örtlichen Bevölkerung gewählt werden. Wenn es da keine Proteste gibt gegen den Ausverkauf der Insel, verdienen offenbar noch zu viele sehr gut daran.

Gut gefällt mir der etwas lakonische Schreibstil, die Zeiten waren damals eben so, haben sich deutlich geändert und lassen sich nicht mehr zurückdrehen. Und absolut Spitze finde ich das Titelbild, so etwas ähnliches haben wohl viele noch im Fotoalbum kleben.

Für dieses durchaus unterhaltsame Bild der westdeutschen goldenen Zeiten von mir sehr gute 4 Sterne.