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murksy Avatar

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Das ist die ungefähre Anzahl der neu veröffentlichten Bücher laut der UNESCO, pro Tag! Also selbst wer viel liest, mehrsprachig liest, wird nur einen winzigen Bruchteil der Bücher in seinem Leben lesen können. Das großartige Sachbuch von Irene Vallejo gehört für Literaturliebhaber meiner Meinung nach zu den Büchern, die man lesen sollte, wenn man mehr über die faszinierende Geschichte der Bücher, der Sprache und der Bedeutung der Literatur erfahren will. Zunächst wird man durch das schlichte, aber dennoch wunderschöne Cover mit der gold-grünen Darstellung einer Papyruspflanze neugierig gemacht. Der Untertitel "Die Geschichte der Welt in Büchern" zeigt, in welche Richtung das Sachbuch tendiert. Es soll keine bloße Geschichte über Bücher sein, sondern vielmehr die Verknüpfung der Weltgeschichte mit der geschriebenen Sprache verdeutlichen. Die Seitenzahl von 750 sollte den Leser nicht abschrecken, das Format ist handlich und das Buch liegt überraschend leicht in der Hand. Ich konnte es kaum weglegen, habe Seite um Seite verschlungen, im Liegen, im Sitzen, im Stehen. Selten gelingt es einem Sachbuch, so zu fesseln, teilweise spannend wie ein Krimi, immer informativ und nie belehrend. Beginnend bei der berühmtesten Bibliothek der Geschichte in Alexandria, umspannt das Buch den Jahrtausende währenden Verlauf der Jagd und Sucht nach Büchern, die darin enthaltenden Geheimnisse, ihre Bedeutung oder auch ihre Bedeutungslosigkeit je nach Betrachtungsweise. Wer absolut keinen Bezug zur Geschichte hat, Politik abschreckend findet, wird vielleicht gelangweilt oder überfordert das Buch zur Seite legen. Wer lebhafte Geschichtsschreibung, interessante Anekdoten und viele Anreize für ein vertiefendes Lesestudium der sogenannten Klassiker sucht, wird auf jeder Seite fündig. Wussten Sie zum Beispiel, wer der erste Celebrity war? Oder wie Oxford die schiere Menge der Bücher bewältigt, die jeden Tag um Hunderte ansteigt? Es gibt viel zu entdecken. Von der Entwicklung des Alphabetes bis zu den modernen e-books, von den ersten, brotlosen Schriftstellern bis zu neuzeitlichen Deutungen der alten Griechen. Vallejo entpuppt sich freudiger Weise nicht als Puristin. Auch der Bezug zu Filmen, die literarische Themen aufgreifen oder durch die Macht der Bilder und Töne aus Büchern neue Kunstwerke schaffen, wird hergestellt. Natürlich kann und will das Buch keine Leseempfehlungen aussprechen, der Kanon wird erwähnt, aber nicht verklärt. Im 80seitigen Glossar gibt es weiterführende Literatur, die Zitate des Buches schreien dem Literaten entgegen: "Lies mich!". Ein zurecht preisgekröntes Sachbuch, das einen Spagat zwischen Antike und Moderne schafft, aber natürlich trotzdem nur einen Teil der grandiosen Geschichte der Bücher und der in ihnen widergespiegelten Welt ausbreiten kann. Ein von Anfang bis Ende lesenswertes Vergnügen und ein schier unerschöpflicher Quell des Wissens und der Informationen. Und ein Vermächtnis an all die Literatur, die im Laufe der Jahrtausende verschwunden ist, teilweise gerade noch in Fragmenten überliefert wurde.