Römische und Griechische Geschichte satt - nur dafür kaum Papyrus...

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ismaela Avatar

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Was für ein Wälzer!
Auf fast 700 Seiten möchte uns die Autorin Irene Vallejo die Geschichte des Buches näher bringen und mit den Leser:innen ihre Leidenschaft für das geschriebene Wort teilen.
Zunächst: die Aufmachung, das Cover und die Schriftart ist - wie üblich bei Diogenes - sehr stimmig und hübsch, das Format perfekt zum Lesen auch unterwegs oder im Bett (sonst hat man bei so einer Seitenzahl oft Klöpse, mit denen man eine Kuh erschlagen könnte). Der geschichtliche Abriss kommt auch ziemlich schnell in Gang, der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen, dabei helfen auch die einzelnen, relativ kurzen Kapitel und die kurzweilige Schreibweise. Ebenfalls ein großer Pluspunkt, der mich persönlich gefreut hat: die Autorin beschreibt die geschichtlichen Entwicklungen aus der Sicht einer Frau. So werden beispielsweise die Eroberungszüge von Alexander dem Großes als das beschrieben, was sie waren: das Überziehen der halben Welt mit Krieg und Leid, vor allem für die Mädchen und Frauen, die in solchen größenwahnsinnigen "Ideen" als Ware hin- und hergeschachert wurden. Auch wenn sie Bezug nimmt auf die "Illias" oder die "Odyssee" ist ihr weiblicher Blick auf das Ganze sehr erfrischend.
Als Leserin erkennt man die unglaubliche Recherchearbeit, die Vallejo auf sich genommen hat, um solch eine Geschichte zu fabrizieren, und aus beinahe jedem Satz springt einem ihre Liebe zu Büchern, Büchereien, Bibliotheken etc. entgegen.

Doch bei allen positiven Aspekten - einer kommt zu kurz: und zwar die Geschichte des Buches. Vor allem die Geschichte des Buches von seinen Anfängen bis jetzt. In "Papyrus" gibt es zwei Teile: Rom und Griechenland. Damit erschöpft sich der geschichtliche Abriss. Bücher, Papyri und das geschriebene Wort an sich, kommen durchaus vor, aber eher als Begleiterscheinung, nicht als eigenständiges Thema. Zudem wird die (Weiter-)Entwicklung des Buches bis in unsere Zeit komplett unterschlagen. Gerade diese Entwicklung von einem extrem wertvollen Sammlungsgegenstand hin zur Massenware der heutigen Wühltische wäre spannend gewesen.

Deshalb fällt mir auch die Bewertung recht schwer. Insgesamt ist die Lektüre kurzweilig, (geschichtlich) informativ und mit viel Herzblut geschrieben - aber das eigentliche Thema wurde, wenn man es ganz genau nimmt, verfehlt. Und das dürfte für einige doch eine rechte Enttäuschung werden...