Festhalten und Loslassen

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eulenmatz Avatar

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MEINUNG:
Ich muss sagen, dass ich bei Paradise Garden irgendwie zunächst skeptisch war, weil es mir erschien, als hätte ich solche Geschichte schon oft gelesen bzw. es einige Romane mit ähnlichem Aufbau gibt. Ich wollte mich allerdings eines Besseren belehren lassen und wollte dieses Buch, welches auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2023 gelandet ist, unbedingt für mich entdecken.
Billie ist 14 Jahre alt und wohnt mit ihrer Mutter in einer Hochhaussiedlung in einer eher sozial schwächeren Gegend. Ihre Mutter Marika versucht beide über Wasser zu halten mit zwei Jobs. Anders als man vielleicht bei solchen Lebensumständen vermuten würde, sind Billie und vor allem Marika aber stets positiv dem Leben gegenüber eingestellt und machen das Beste daraus. Ihr beider Leben wird auf den Kopf gestellt als plötzlich unerwartet Billies Großmutter und Marikas Mutter aus Ungarn kommt. Diese Platz in die liebevolle Alltagsidylle und stellt die Beziehung von Billie und Marika auf die Probe, denn Billie kann mit ihrer Großmutter wenig anfangen. Es folgt ein weiterer Schicksalsschlag, der Billie zwingt sich auf die Suche nach ihrem Vater zu machen.
Mich hat die Geschichte von Billie sofort gefesselt. Zunächst ist da die wirklich sehr liebevolle und warme Beziehung zu ihrer Mutter, die Billies einzige Familie ist. Obwohl beide wirklich in recht ärmlichen Zuständen wohnen, ist ihr Leben bunt und voller Fantasie, die vor allem Marika mit reinbringt. Wenn es allerdings um die Frage geht, was mit Billies Vater ist, dann macht Marika dicht. Mit dem Einzug von Billies Großmutter wird die Beziehung von Marika und Billie auf die Probe gestellt, denn plötzlich sind sie zu dritt. Für mich war es völlig nachvollziehbar, dass Billie darauf gereizt und ablehnend reagiert, denn schließlich kennt sie ihre Großmutter, musst ihr Zimmer dafür rausrücken und zudem ist die Großmutter auch zunächst nicht die einfachste Person und es entsteht viel Reibung zwischen ihr und Billie, aber zwischen ihr und Marika. Es schwebt auch immer die Frage über allem, was ist damals passiert, warum gab es keinen Kontakt, wieso ist Marika von Ungarn nach Deutschland gekommen?
Die Geschichte nimmt schon gleich zu Anfang noch eine weitere Wendung, die entscheidend ist für den weiteren Verlauf. Marika stirbt. Diese Zustand stellt Billies ganze Welt auf den Kopf und es hat mir beim Lesen das Herz zerbrochen, denn ich habe sofort ihre unendliche Einsamkeit gespürt, denn außer der Großmutter, die sie nicht mag und kaum kennt, bleibt dann nur ein unbekannter Vater.  Billie stellt außerdem fest, dass sie nur einen Teil von ihrer Mutter kannte und dass sie auf die Suche nach deren Vergangenheit machen muss, die auch ein Teil ihrer eigenen Geschichte ist. Ich fand das wirklich sehr feinfühlig gestaltet von der Autorin. In meinen Augen hat sie auch gut die Gefühle und den Ton eines 14-jährigen Teenagers getroffen, was nicht jedem gelingt. Billie hat die typischen Stimmungsschwankungen und ist natürlich randvoll mit Trauer. Ein bisschen unrealistisch fand ich, dass sie unbemerkt mit 14 Jahren hoch an die Nordsee fährt, weil sie dort ihren potentiellen Vater vermutet, was der Geschichte aber keinen Abbruch getan hat. Die Szene auf der Insel sind richtig atmosphärisch geschildert und ich konnte den Geruch des Meers wahrnehmen und den Wind spüren. Besonders gut hat mir auch das Ende gefallen, welches nicht übertrieben kitschig ist, aber welches Hoffnung macht, dass Billies Leben weiter gehen kann, auch ohne ihre Mutter. 

FAZIT:
Paradise Garden hat mich auf Grund meiner anfänglichen Skepsis absolut positiv überrascht und ist für mich ein großes Lesehighlight. Ich habe Billie und ihre Mutter sofort ins Herz geschlossen. Trotz aller Widrigkeiten und Verluste  in dieser Geschichte schreibt Elena Fischer hier mit größter Herzenswärme, Sensibilität und Hoffnung, dass ein Leben immer weitergehen kann. Ich freue mich sehr auf weitere Romane von der Autorin!