In den Cowboystiefeln der Mutter trauern

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frischelandluft Avatar

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Ich habe vor langer Zeit ein Buch gelesen, „Walk two moons“, in dem die Protagonistin zwei Monate lang in den Schuhen ihrer Mutter, die ihr nicht richtig passten, ihre letzten Tage vor einem tödlichen Unfall nachgereist ist. Dort hieß es, dass es die Tradition des indigenen Volkes der Protagonistin war, als Trauerarbeit nach dem Tod eines geliebten Menschen zwei Monate lang in ihren Schuhen zu gehen. Daran hat mich dieses Buch erinnert.
Es beginnt mit dem Satz, „Meine Mutter starb diesen Sommer.“ Dann erzählt die Ich-Erzählerin Billie von ihrem Alltag mit ihrer Mutter und ich vergesse den ersten Satz. So kommt der angekündigte Tod der Mutter wie ein Donnerschlag oder ein Schlag in die Magengrube. Was folgt, sind Schmerz, Trauer, Traurigkeit, Sehnsucht, unbeantwortete Fragen, Angst, auch Wut. Typische Reaktionen, hier wunderbar erzählt über die sensible, starke und verletzte, junge Protagonistin. Der Roman ist so traurig, man kann sich kaum etwas schrecklicheres vorstellen, als als Teenager seine Mutter zu verlieren, besonders, wenn kein Vater und keine Geschwister da sind und man plötzlich alleine ist. Billie ist sehr selbstständig für ihre 14/15 Jahre, man glaubt es ihr. Sie ist weise auf ihre Art, sie sucht und findet, findet nicht, und führt Tagebuch und fasst immer wieder die Essenz eines Erlebnisses in einem oder zwei Sätzen zusammen, ohne dass es irgendwie aufgetragen wäre. Was dabei herauskommt ist ein bisschen Weisheit darüber, was im Leben wichtig ist und was nicht, wen oder was man braucht, um glücklich zu sein. Das Leben umfasst schließlich alles, die Traurigkeit und das Glück, den Verlust und das Finden, Liebe und Wut, Verzweiflung und Hoffnung. Ein sehr schönes Buch, nicht nur für die, die selber schon einen Verlust erleben mussten.