Road Trip an die See

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evaczyk Avatar

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Mit "Paradise Garden" hat Elena Fischer ein Buch geschrieben, das buchstäblich eine Wucht ist - und Billie, die 14-jährige Protagonistin, erinnert mich an einen weiblichen Huckleberry Finn des 21. Jahrhunderts, unterwegs nicht auf einem Floß auf dem Missisippi, sondern im Auto ihrer plötzlich verstorbenen Mutter unterwegs an die Nordsee, auf der Suche nach dem unbekannten Vater. Es ist eine ganz besondere und anrührende Coming of Age-Geschichte dieses Mädchens, das Zartheit und Schnoddrigkeit verbindet, das unsentimental ein Leben im Prekariat und den Zusammenhalt mit anderen Abgeängten in einem Wohnblock kurz vor der Autobahn. Das Klauen hat sie ausgerechnet von der borgeouisen Freundin gelernt, Billies Mutter wäre entsetzt gewesen, aber auf ihrem Weg erweist sich das Gelernte dann doch als ganz praktisch.

Auch Mutter-Tochter Konflikte und zerstörte Träume sind Themen dieses Buches, das aus der Perspektive Billies geschrieben wird. Dabei trifft die Autorin den richtigen Ton, wenn Billie lakonisch und ohne auf die Tränendrüse zu drücken von einem Leben berichtet, dass bis zum Tod der Mutter auch durchaus als schön empfunden wird. Es ist ein bißchen Billie und Marika gegen den Rest der Welt. Die alleinerziehende Marika, die aus Ungarn stammt und von einer Laufbahn als Tänzerin träumte, bringt sich und ihre Tochter mit zwei Jobs durch - als Putzfrau und als Kellnerin in einer Bar. Das Geld reicht trotzdem kaum, aber manchmal leisten sie sich trotzig Extravaganzen wie den größten Eisbecher im Eiscafé. Der Traum von einer gemeinsamen Urlaubsreise am Meer dagegen soll unerfüllbar bleiben.

Als Billie ihr Zimmer räumen muss, weil die Oma aus Ungarn für eine medizinische Behandlung in Deutschland zu Besuch kommt, ist das nur der Beginn ihrer Probleme. Denn die Oma ist ganz anders als ihre Mutter - und das Verhältnis von Spannungen geprägt. Der Tod der Mutter ist nicht nur ein traumatisches Erlebnis, er ist auch der Auslöser für Billies Road Trip ins Ungewisse, der zu überraschenden Erkenntnissen auch über die Mutter führen wird.

Das Buch lebt von seiner Hauptfigur und ihrem ehrlichen und unverstellten Blick, ihrem pragmatischen Umgang mit Widrigkeiten. Es gibt traurige, lustige, rührende Momente in diesem Buch, an dessen Ende nicht nur Billie wichtige Einsichten gewinnt.