Zwischen Kunst und Emanzipation

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Peggy Guggenheim, Sprößling des berühmten reichen New Yorker Guggenheim-Clans, Galeristin, Muse, Kunst- und Literarturmäzenin erzählt in dieser fiktionalen Autobiographie von ihrem außergewöhnlichen Leben, wobei sie sich auf die ersten vierzig Jahre konzentriert, auch wenn der Epilog ganz am Ende noch einen Sprung ins Jahr 1958 wagt. Rebecca Godfrey, die bis zu ihrem frühen Tod, mit viel Eifer und Recherche an dem Roman arbeitete, gelingt es, Peggy eine überaus authentische Stimme zu verleihen. Der Text ist detailliert und mitunter üppig, gleitet aber nie ins Kitschige ab und lässt den Leser an Peggys Seite viele private Herausforderungen erleben und berühmte Persönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kennenlernen. Peggy Guggenheim verfügte über einen äußerst illustren Bekanntenkreis, das Who is Who der Pariser Bohème gibt sich bei ihr die Klinke in die Hand und ihre Liebhaber sind begabte und bekannte Männer.

Die ersten Dreiviertel des Romans haben mir sehr viel Freude bereitet, ich habe den Roman bis dahin überaus gern gelesen, weil er Peggys Privatleben gekonnt mit dem, was sonst so in der Welt passiert und auch mit den Ambitionen ihrer Mutter, ihrer Schwestern und des restlichen Guggenheim-Clans verbindet. Eingebettet wird dies in die antijüdischen Strömungen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA sehr stark sind, und in die Feindseligkeiten gegenüber der besitzenden Klasse. Peggy wird immer wieder auch als Geldgeberin ausgenutzt, von Kolleginnen bedroht – einfach, weil sie reich ist. Das mag wie Jammern auf sehr hohem Niveau klingen, da aber die Peggy, die man in diesem Roman kennenlernt, durchaus selbst finanzielle Engpässe erlebt hat und als Figur äußerst bodenständig ist, geht die Sympathielenkung zu ihren Gunsten vollkommen auf.

So inspirierend, mitreißend, lehrreich und informativ die ersten 75% des Romans auch sind, so stark fällt das letzte Viertel des Romans ab. Hat sich der Text bis hierhin trotz seines Augenmerks auf besondere Schlaglichter in Peggys Lebenslauf sehr gründlich und umfassend mit den einzelnen Phasen befasst, erscheint der Rest nun im Zeitraffer und etwas unzusammenhängend erzählt. Hinzu kommt, dass der Fokus nun mehr und mehr auf den Liebschaften und der Sexualität liegt – mag sein, dass es so war – das Lesevergnügen jedoch kommt auf den letzten Seiten zunehmend abhanden. Es wirkt so, als ob der Roman nun nur noch irgendwie und möglichst rasch über die Ziellinie bugsiert werden soll, was angesichts Peggys einnehmendem Wesen doch überaus schade ist. Vielleicht ist dies der Tatsache geschuldet, dass Godfrey den Roman nicht mehr beenden konnte und er von ihrer Schriftstellerkollegin Leslie Jamison zu Ende geschrieben wurde. Was in diesem Zusammenhang jedoch unbedingt positiv erwähnt werden sollte ist, dass der Roman zumindest sprachlich keinen spürbaren Wechsel durchmacht.

„Peggy“ bleibt dennoch zumindest größtenteils eine Leseempfehlung. Eine wunderbare und begeisternde Romanautobiographie, die sich wohltuend von den sehr seichten gängigen Lebensbeschreibungen abhebt und einen faszinierenden Einblick in das Denken und Fühlen einer beeindruckenden Frau gewährt.