Über Verlust und generationenübergreifende, psychische Erkrankungen

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In ihrem späten Debütroman verknüpft die Lyrikerin Siân Hughes ein mittelalterliches Gedicht „Pearl“ mit der Geschichte einer jungen Frau, die im Alter von acht Jahren unter mysteriösen Umständen ihre Mutter verliert und fortan mit dieser Leerstelle in ihrer Familie leben muss. Was genau mit der Mutter geschah, ist fraglich, aber sie verschwand einfach eines Tages, ging aus dem Haus, ließ nicht nur die achtjährige Marianne zurück sondern auch den Säugling Joe sowie den Ehemann und Vater der Kinder.

Anhand von einzelnen Kapiteln, denen jeweils der Vers des Gedichtes von „Gawain Poet“ (anonym) vorangestellt ist, erzählt Hughes nun, wie dieses Mädchen Marianne zur psychisch auffälligen Jugendlichen und jungen Erwachsenen heranwächst. Dabei verschränken sich verschiedene Faktoren bis hin zu Genese einer eigenen postnatalen Psychose. Auch schon die verschwundene Mutter zeigte psychotische Symptome und auch die Tochter von Marianne weist diese erneut auf. Leider wirft die Autorin hier verschiedene Krankheitsbilder in einen Topf, nämlich die schizoaffektiven Störungen bis hin zur erblich bedingten Schizophrenie und der, im Roman als postnatale Depression bezeichnete, postnatale Psychose. Diese Erkrankungen können sich durchaus gegenseitig bedingen, sind hier aber meines Erachtens für Laien schwer auseinanderzuhalten.

Die Autorin bemüht das Mittel der unzuverlässigen Erzählerin, was einfach aus Erinnerungsverzerrungen natürlich entstehen kann. Sie erwähnt die Möglichkeit der verfälschten Erinnerung allerdings ein wenig zu häufig ganz offen im Text. Hier hätte mehr Spannung dadurch aufgebaut werden können, dass es auch für die Lesenden lange offen bleibt, was tatsächlich passiert ist. Mit der Mutter. Mit Marianne. Mit dem Vater. Mit der Familie allgemein. Die Ausführungen zu Mariannes Jugend erscheinen mir hier ein wenig zu abschweifend. Letztlich bleiben die tatsächlichen Geschehnisse um das Verschwinden der Mutter genauso offen, wie auch Mariannes Geisteszustand zum Ende des Romans hin. Das ist gut gemacht, wenn es denn so auch intendiert war von der Autorin. Es wirkt alles ein bisschen zu gewollt nebulös gehalten. Wodurch auch eine Verbindung zu den Hauptfiguren nur schwer zustande kommt.

Für mich gab es keine einprägsamen Sätze und Passagen im Roman. Insgesamt habe ich das Buch gern gelesen, es wird wohl nur leider nicht so viel davon nachhallen.

3/5 Sterne