Verlust und Versöhnung

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Das 8jährige Mädchen Marianne verliert ihre Mutter - eines Tages verlässt sie das Haus und kehrt einfach nicht zurück. Fortan lebt Marianne mit ihrem Bruder und ihrem Vater in einem neuen Haus und wird irgendwann selbst Mutter. Aber was liegt dazwischen? Eine sehnsuchtsvolle Erinnerung an die Kindheit, an all das, was die Mutter ihr mitgab, die Geschichten, die gemeinsamen Späße, das alte, vertraute Haus, bruchstückhafte Bilder und Sinneseindrücke, all das, was ihre Mutter mochte und ihr wichtig war. Marianne versucht in ihrer Trauer und ihrem eigenen Leid ein Andenken zu bewahren, immer in dem Zweifel, ob ihr Gedächtnis ihr Streiche spielt und unter dem Druck Anderer, die Antworten darauf suchen, wie eine Mutter ihre Kinder zurücklassen kann. Aber das Leben muss weitergehen und so wird es zu einer Suchbewegung, in der sie irgendwann verstehen lernt.
Mir gefiel, dass am Anfang des Romans nicht klar ist, in welche Richtung die Geschichte verlaufen wird. Zu Beginn eines jeden Kapitels leiten Reime und Sprüche den Inhalt ein, die größtenteils verstörend wirken. Es werden Bezüge zu Religion, Kunst und Kultur hergestellt, die mir neu und nicht immer verständlich waren, aber für die Figur Marianne und ihre Identität wichtig sind. Auch das Aufwachsen in England, sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum, wird höchst eindringlich dargestellt. Immer wieder schwingt im fortgeschrittenen Alter der Hauptfigur das Verlangen nach einer Auseinandersetzung mit dem ungelebten Leben mit, sodass es einem als Leser fast körperlich weh tut. Der Roman würdigt die bildliche und sprachliche Aufarbeitung von Traumata und wendet sich daher an Leser, die sich an die Themen Verlust, Versöhnung und Seelenfrieden wagen. Das Ergebnis ist ein fast meditatives, authentisches und feinfühliges Werk - meine Leseempfehlung.