verstörend

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antie Avatar

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Um den Roman wirklich in den Tiefenschichten zu verstehen, braucht man im Grunde profunde Kenntnisse in englischer und sogar mittelenglischer Literatur. Denn der Titel „Perlen“ bezieht sich nicht nur auf die Perlen, die die Ich-Erzählerin aus Verzweiflung über das Verschwinden ihrer Mutter von ihrem Pullover herunterbeißt, sondern vor allem auf das mittelenglische Gedicht „Pearls“ aus dem 14. Jahrhundert, das vom Stoff her zur Artusdichtung gehört. Nur mit diesem Hintergrundwissen lassen sich viele Stellen verstehen und Motive deuten. Auch sonst gibt es häufig literarische Anspielungen. Ebenso machen die vielen englischen Gedichte, Reime, Abzählverse und Kinderlieder das Buch eher zu einer Lektüre von Insidern. Diese jedem Kapitel vorangestellten Verse sind oft skurril, grausam, kryptisch oder schlicht Nonsens.
Ohne diese Kenntnisse fehlt eine entscheidende Dimension des Romans, aber die Handlung ist auch ohne diese Bezüge bemerkenswert und kann für sich verstanden werden. Es ist eindrucksvoll, wie die Autorin die schwere Verstörung und letztlich psychische Erkrankung ihrer Protagonistin schildert, die offensichtlich durch das rätselhafte Verschwinden der Mutter hervorgerufen worden ist. Erst ihre eigene Mutterschaft und die angedeutete Enträtselung des Verschwindens tragen zu einer Art Heilung bei.
Es ist eindeutig keine leichte Lektüre, vor allem, wenn man der Selbstzerstörung von Marianne zusehen muss, obwohl die meisten Aspekte ihrer Krankheit nur angerissen und als selbstverständliche Tatsachen hingestellt werden. Ein wenig Hoffnung kommt nur dadurch auf, dass sie einen Vater hat, der verlässlich ist und scheinbar unerschütterlich und liebevoll an ihrer Seite bleibt, egal wie ver-rückt Marianne sich verhält.
Ich kann das Buch nur eingeschränkt empfehlen und frage mich, an welche Leser*innen sich die Autorin richtet.