Kinderfreundschaft versus Erwachsenenleben

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gabriele 60 Avatar

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Wilhelm ist ein Bauernjunge aus Wollseifen, dessen Eltern arm sind und froh um jeden Esser weniger. Der Tuchfabrikant Becker, der bei Wilhelms Eltern regelmäßig Schafwolle kauft, nimmt den Neunjährigen zu Weihnachten 1867 mit nach Montjoie. Nun kann er zusammen mit Jacob Becker und der Arzttochter Luise gemeinsam am Unterricht bei Hauslehrer Linden teilnehmen. Es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den drei Kindern, die viele Winter nacheinander erneuert wird, bis Wilhelm ganz ins Beckersche Haus zieht, um in der Tuchfabrik zu lernen. Zwar ist er enttäuscht, weil die Freundschaft sich lockert und nichts mehr so ist, wie in der Kindheit, trotzdem fühlt er sich in der kleinen Stadt wohl. Bis eines Tages etwas geschieht, das ihn nach Hause in die Armut zurückkehren lässt.

Anna-Maria Caspari hat sorgfältig recherchiert und zeigt uns das Leben vor und nach 1900. Tagebucheinträge von Luises Gouvernante beleuchten neben den privaten Begebenheiten die politische Situation ebenso wie die technischen Neuerungen der damaligen Zeit. Die Einstellung zu berufstätigen Frauen wird ebenso thematisiert wie sexuelle Andersartigkeit. Das alles liest sich recht angenehm, wären da nicht die vielen Wiederholungen in der ersten Hälfte des Buches. Wollte die Autorin Zeilen schinden oder hält sie uns Leserinnen für gedächtnisschwach?

Trotz dieses Mankos empfehle ich dieses Buch mit den zeitgemäß bebilderten Klappeninnenseiten und der Übersichtskarte gerne, da die damalige Zeit bis 1904 lebendig wiedergegeben wird. Es ist übrigens nach „Ginsterhöhe“ der zweite Teil einer Trilogie aus der Eifel, der sich auch ohne Kenntnis des ersten Teils gut lesen lässt.