Kinderträume weichen der Realität

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Montjoie, 1867. Wilhelm, Jacob und Luise schwören sich am Perlenbach ewige Freundschaft. Die Kinder ahnen nicht, dass dieses Versprechen auf eine harte Probe gestellt wird, sobald sie erwachsen sind. Luise ist die Tochter des Arztes aus Monjoie. Sie wächst ohne Mutter auf und begleitet ihren Vater häufig zu den Patienten. So wird ihre Leidenschaft für Naturwissenschaft geweckt. Da zu dieser Zeit Frauen das Studium in Deutschland verwehrt wird, zieht sie später nach Zürich. Ihr Freund Jacob soll die Tuchfabrik des Vaters übernehmen. Doch er möchte lieber dem Einfluss des Vaters entkommen. Sein Geheimnis könnte ihm das Leben kosten.

Anna-Maria Caspari folgt bei ihrer Romantrilogie um das Dorf Wollseifen nicht der zeitlichen Chronologie. Dieser zweite Teil erzählt von den Jahren der Kindheit von Luise, Jacob und Wilhelm, liegt also vor den Jahren von Ginsterhöhe. Man benötigt demnach auch keine Kenntnisse daraus und könnte sofort weiterlesen. Wilhelm war der Sohn eines Schafzüchters aus Wollseifen, der in die Gunst eines Tuchhändlers aus Monschau – damals noch Montjoie genannt – kam. Er durfte über den Herbst einige Monate im Haus der wohlhabenden Familie verbringen. Seine eigene Familie wurden somit mit einem Esser weniger entlastet. Wilhelm lernte ein ganz anderes Leben kennen und hatte die Chance auf Bildung gemeinsam mit dem Tuchhändlersohn Jacob. Dieser hatte in der Kindheit einen Unfall, bei dem sein rechter Arm dauerhaft geschädigt wurde. Mit dem starken Wilhelm an seiner Seite fühlte er sich sicher. Als Dritte im Bunde kam Nachbarstochter Luise dazu, die schon früh von der Tätigkeit ihres Vaters fasziniert war. Für sie stand fest, dass sie in jedem Fall Medizin studieren würde. In Deutschland wäre das aber erst 46 Jahre später möglich gewesen.

Fiktive Charaktere vor recherchierter Zeitgeschichte
Die aus der Eifel stammende Autorin lässt die historischen Fakten und politischen Entwicklungen durch Tagebucheinträge von Luises Gouvernante Friederike von Knobloch einfließen. Die junge Frau stellt darin Bezüge her, die es dem Leser erleichtern, sich in die vergangene Zeit einzufühlen. Gleichzeitig schreitet die Zeit voran und die Kinder werden erwachsen. Wilhelm darf eine Ausbildung zum Tuchhändler beginnen, die ihn aus den ärmlichen Verhältnissen in Wollseifen herausholt. Seine Figur verdeutlicht die Unterschiede der Gesellschaftsschichten. Als Luise zum Studium nach Zürich zieht, bleibt Jacob allein zurück. Auch er würde sein Leben lieber woanders verbringen, wenn auch aus anderen Gründen. Es sind damit drei unterschiedliche Lebensläufe, die doch ein rundes Gesamtbild der Zeit ergeben. Der Epilog rundet die Geschehnisse bis zum Jahr 1908 ab.

Der historische Roman Perlenbach von Anna-Maria Caspari gehört zur Trilogie um das Dorf Wollseifen, wie bereits der Auftakt Ginsterhöhe. Es wird die Kindheit von Wilhelm, Jacob und Luise beschrieben. Sie leben in einer Zeit, in denen ihnen manche Träume verwehrt wurden, die uns heutigen so selbstverständlich vorkommen. Der Roman ist sowohl unterhaltsam als auch ein Einblick in die damalige Gesellschaftsstruktur. Die Klappbroschur enthält eine Landkarte sowie zeitgenössische Fotos. Da die Trilogie bereits angekündigt ist, jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Angaben zu einer Fortsetzung zu finden sind, warte ich gespannt auf den Abschluss.