Spannend, wenn auch manchmal zu gewollt

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kalli Avatar

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Perlenbach hat mich sofort gefangen genommen, als ich es aufgeschlagen habe. Das äußere ist ansprechend und hübsch. Unverständlich jedoch, warum drei Jungen mit Murmeln spielen - so eine Szene kommt im Buch einfach mal gar nicht vor.
Die drei Protagonisten lernen sich als Kinder aus einem Zufall heraus kennen, - denn sie stammen aus komplett unterschiedlichen Milieus - und begründen eine Freundschaft, die sie durchs Leben tragen soll. Während Luise und Jacob in Montjoie bürgerlich wohnen und einen gemeinsamen Hauslehrer haben, sowie eine Gouvernante, wächst Wilhelm in engsten Verhältnissen in Wollseifen auf einem ärmlichen Bauernhof auf, wo er seinem jähzornigen Vater ausgeliefert ist und das Essen kaum für die gesamte Geschwisterschar und den Knecht reicht.
Wilhelm darf erst über den Winter zu Jacob ziehen, um ihm Gesellschaft zu leisten, und später bei Jacobs Vater seine Lehre machen, und so der Armut des Elternhauses entkommen. Luise will von Beginn an Ärztin werden, und überwindet zielstrebig alle Hindernisse der Zeit auf dem Weg zu ihrem großen Ziel. Jacob soll eigentlich die väterliche Fabrik übernehmen, fühlt sich diesen Druck aber nie gewachsen. Trotz ihres Freundschaftsschwurs aus Kinderzeiten entfremden sich die drei immer mehr, nicht zuletzt aufgrund der Klassenunterschiede und Vorbehalte der bürgerlichen Eltern. Es kommt zum Eklat und die Fragilität der Lebensentwürfe wird überdeutlich.
Gut gefallen hat mir die Schilderung des riesigen Unterschieds in den Lebenswelten zwischen Jacob und Wilhelm, die gegensätzlichen Selbstverständlichkeiten, wie schnell einen das Glück verlässt. Auch ist der Roman sprachlich absolut flüssig zu lesen.
Weniger gut gefallen haben mir die doch sehr konstruierten Zufälle, aber auch die plötzliche Kaltherzigkeit der Charaktere. Unangenehm aufgefallen ist mir das sehr künstliche Einbinden der geschichtlichen Ereignisse über die Tagebuch-Einträge der Gouvernante, sowie die spürbar retrospektive Sicht auf die Geschichte „Bisher können Frauen nicht studieren“ und ähnliches, dass ich als Leserin etwas aus der Geschichte rausgerissen hat. Auch das Ende der Geschichte scheint etwas lieblos, als müsste nun halt ein Ende her. Das wäre nach dem starken Beginn besser gegangen!