Oscar und Moni

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Unterschiedlicher können zwei Menschen wohl nicht sein, die hier im Hörsaal des Mathematikinstituts aufeinandertreffen. Oscar, der auch die Erzählstimme des Romans ist, ist sehr jung, erst 17, er ist hochbegabt, hat sein ganzes Leben darauf hingearbeitet, endlich Mathematik zu studieren. Im Roman wird es nie erwähnt, aber schnell wird sichtbar, er ist wohl im autistischen Spektrum. In der U-Bahn (die er nur benutzt, wenn es wirklich nicht anders geht) trägt er Handschuhe, er isst nur bestimmte Dinge, ist schnell irritiert, mit Gefühlen von anderen kann er nur schwer umgehen, er muss immer sagen, was er denkt und das kommt manchmal ganz schön verletzend daher. Moni gibt er keine Chance im Studium.
Sie trägt schrille Kleidung, hat blondierte Haare, ist stark geschminkt. Alle denken, sie hätte sich verirrt und wäre eigentlich die Putzfrau oder Kantinenmitarbeiterin. Aber Moni hat noch etwas offen im Leben, sie möchte wirklich Mathematik studieren. Und dabei ist sie in Oscars Augen auch noch unfassbar alt, über 50.
Und doch haben sie etwas gemeinsam, sie lieben die Mathematik und können die Schönheit darin erkennen.
Dass diese zwei nach einer ersten zufälligen Begegnung so etwas wie Freunde werden könnten, würde man wohl eher ausschließen. Doch beide werden für den anderen so etwas wie ein Projekt. Moni hilft Oscar in praktischen Dingen, rettet ihn, wenn er mal wieder unterzuckert ist, vorm Verhungern. Und Oscar meint, sie durchs Studium tragen zu müssen.
Daraus wird eine wunderbare Geschichte von zwei Außenseitern, die man schnell in Schubladen stecken würde und die immer wieder überraschen. Bronsky erzählt diese Geschichte voller Herzenswärme, es wird nicht gewertet, das Buch ist mal humorvoll, mal unglaublich berührend und überrascht immer wieder. Die Mathematik wird dabei geschickt eingestreut, nimmt zwar Raum ein, ohne die Leserinnen zu überfordern.
Ich mochte das Buch von der ersten Seite an, habe den Erzählstil geliebt, wie die Figuren gezeichnet sind, wie sie sich entwickeln.
Pi mal Daumen ist einer jener Romane, bei denen ich richtig traurig war, als die letzte Seite gelesen war. Für mich ein Lieblingsbuch 2024, das ich nur wärmstens weiterempfehlen kann.