Bittersüße Herzenswünsche

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
amelien Avatar

Von

„Ich warte auf dich und dein einsames Herz, Genevieve.“ (Seite 14)

-Mottenzart-

Ein düsteres Märchen. Ein Kaleidoskop aus Spiegelbildern, Herzenswünschen und bittersüßen Opfern. Die Fragmente durchziehen diese atemberaubende und schmerzlich schöne Geschichte wie Spiegelsplitter.

Das Buch wird aus der Sicht von Evie (Genevieve) erzählt – ein Mädchen, welches sich nichts sehnlicher als einen Freund wünscht. Doch der Preis für diesen Wunsch ist hoch. Als Kind versprach sie im Spiegelkabinett ihrer Großmutter einem Spiegeljungen ihr Herz, im Tausch für einen Freund. Doch von da an kann sie niemanden mehr mit ihren Händen berühren, denn ihre Berührungen sind tödlich. Seitdem trägt Evie Handschuhe, um niemanden versehentlich zu töten.

„Erinnerungen gehen nicht, die Menschen schon.“ (Seite 261)

Zunächst klingt dies nach einer klassischen Fluchgeschichte, entwickelt sich jedoch zu einer deutlich komplexeren Handlung. Evie mochte ich von Anfang an. Ein naiver, gutherziger und irgendwie verlorener Charakter. Ihre schon beinahe kindliche Hoffnung auf Zuneigung und Geborgenheit machen sie sehr greifbar für den Leser.

Die Beziehung zu Arthur war nicht so leicht. Er blieb ziemlich blass. Er mutet zunächst sehr süß und schon viel zu perfekt an, dass man glaubt er hat was zu verbergen. Seine Auftritte waren sehr blass, flüchtig und vage und doch nimmt Evies Sehnsucht nach ihm, einen großen Raum in der Geschichte ein.

Remi dagegen ist vielschichtiger und düster. Zwischen ihm und Evie entwickelt sich ein starkes Band und die Geschichte mutet ab hier einem Love Triangel an. Remi bleibt zu Beginn ziemlich undurchschaubar und rätselhaft, was ihn zu einem sehr spannenden Charakter macht. Ich mochte seine Verletzlichkeit und sein nach außen abweisendes Verhalten. Letztlich steckt in ihm auch nur ein verletzter Charakter wie in Evie und dadurch ist die Tension zwischen ihnen so authentisch und nachvollziehbar.

Ich mochte die Atmosphäre des Buches sehr, den bildlichen, melancholischen und sehr beschreibenden Schreibstil. Ein Hauch Magie und Träume verwoben in einer sehr ausgewählten Sprache. Das Setting des Zirkus gefiel mir sehr, die verschieden Zelte und Orte, ihr Zauber und die Magie. Die Nebenfiguren fügten sich wunderbar in die Geschichte ein und waren auf ihre Art skurril, liebenswert und gut ausgearbeitet. Manchmal war es als würden kleine Geschichtsbruchstücke in der Luft liegen, die man nie vollständig erzählt bekam.

Insgesamt gefiel mir das Buch richtig gut. Es gehört jetzt zu meinen Lieblingen. Es ist sehr atmosphärisch und poetisch, verwoben mit einer Melancholie und bittersüßen Liebe. Der Anfang ist ruhig und introspektiv, aber dann bauscht sich die Geschichte dramatisch auf. Viele Familiengeheimnisse und Plot Twists, welche man jedoch manchmal schon im Vorfeld erahnen konnte. Für mich ein zauberhaftes Buch voller Tiefgang und von märchenhafter Besonderheit. Es hatte eine gewisse Sogwirkung und herzbrechende und Momente. Eine bittersüße und zarte Liebesgeschichte – rätselhaft und fein gesponnen.

Am Ende habe ich einen halben Stern abgezogen, aufgrund von stilistischen Mitteln, die mir irgendwann zu erzwungen waren. Ich finde es gut, wenn mal etwas wiederholt wird. Ein Wort oder ein Satz, damit er prägnanter wird und es vielleicht nochmal unterstreicht. Aber gerade zum Ende hin nahmen diese dreimaligen Wiederholungen überhand, sodass man eher aus der Geschichte rausgerissen wurde, als in ihr zu verweilen.


4,5⭐️