Schwächelnder Mittelteil der Trilogie: viele Hochzeiten, wenig Emanzipation. Für mich nur Durchschnitt, kein Hit.

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kleinervampir Avatar

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Buchinhalt:

Berlin in den Goldenen Zwanzigerjahren: während in Berlin das schillernde Leben in Bars und Tanzlokalen brummt, frisst die schleichende Inflation nach und nach das Geld der Leute. Kostete gestern ein Laib Brot noch einige Reichsmark, müssen die Menschen heute schon tausend dafür zahlen. Mitten in dieser Gemengelage hat Polizeiärztin Magda Fuchs ihre Frauenarztpraxis eröffnet und kann auch schon einen ordentlichen Patientenstamm ihr Eigen nennen. Noch immer schwebt der Ruf ihre Vorgängers über ihr: Magda will jedoch keine Abtreibungsärztin sein und setzt sich ein für Verhütung und ein Frauenbild geprägt von Selbstbestimmung. Dann fällt ihre Freundin Doris einem Mordanschlag zum Opfer….


Persönlicher Eindruck:

Im zweiten Band ihrer Polizeiärztin-Reihe präsentiert das Autorenduo Helene Sommerfeld ein prächtiges Sittengemälde der Zwanzigerjahre. Berlin, die sündige Hauptstadt dieses neuen Lebensgefühls ist wie im Rausch. Nach den Schrecken des Großen Krieges sind die Leute süchtig nach Neuanfang und Amusement, doch noch immer prägt das Bild der Frau diese als Mutter zahlreicher Kinder und Heimchen am Herd.

Im Zentrum der Geschichte um mehrere junge Frauen steht Magda, ihres Zeichens Polizeiärztin und seit kurzem Frauenärztin mit eigener Praxis. Ihre Geschichte, ihr Leben ist das Zentrum, um das sich die Lebensentwürfe ihrer Freundinnen, die der Leser bereits aus dem 1. Teil kennt, gruppieren. So ist da beispielsweise die naive und relativ unbedarfte Doris, die als Filmschauspielerin ein „Glanz“ werden möchte oder Celia, Tochter aus reichem Hause, die sich von ihrem Elternhaus emanzipiert. Auch Anwältin Ruth und Fürsorgerin Ina sind wieder mit von der Partie.

Größtenteils dreht sich die Romanhandlung jedoch nur um zwei Themen: zahlreiche Hochzeiten der Hauptfiguren bzw. ihre Männergeschichten und das Thema Schwangerschaftsabbruch. Es ist auf weiten Strecken immer das Gleiche und das hat meinen Lesegenuss ehrlich gesagt geschmälert. Die Golden Twenties halten so viele Aspekte bereit, dass eine Reduktion auf die genannten Themen der Gänze dieser Epoche kaum gerecht wird. Auch der im Klappentext angekündigte Kriminalfall rund um Doris‘ Stichverletzung, welche gleich zu Beginn thematisiert wird, ist lediglich eine Ragerscheinung und wurde nicht weiter ausgebaut.

Was mich verwundert: alle Frauenfiguren streben nach Unabhängigkeit und Eigenverantwortung, wollen aus dem Korsett eines veralteten Frauenbildes ausbrechen. Trotzdem geht es keiner schnell genug, sich an einen Mann zu hängen und diesen zu heiraten. Genau das verschenkt viel Potential. Am interessantesten waren für mich die Passagen und die Praxis von Magda und wie sie sich zur Wehr setzt gegen den Druck ihrer Vermieterin und Sprechstundenhilfe und gegen den Wunsch ihrer Patientinnen, ihre Babys los zu werden. Allerdings läuft sich dieses Thema nach einer Weile auch tot und man hat leider den Eindruck, als wurde in den 20er Jahren nur gevögelt, was das Zeug hält und hinterher ging man zur Engelmacherin. Das kann es nicht gewesen sein, bei allem Wohlwollen – ich finde, es wird nicht besser, wenn man immer und immer wieder nur auf diesem Thema herumreitet.

Alles in allem ein durchaus interessanter Roman und ich bin auch schon gespannt auf den finalen 3. Band, aber wirklich lange nachhallend war der Mittelteil nicht für mich.