Mitreißender Generationenroman

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MEINE MEINUNG
Mit ihrem bemerkenswerten Romandebüt „Portrait auf grüner Wandfarbe“ ist der deutschen Autorin, Verlagsbuchhändlerin und Verlegerin Elisabeth Sandmann ein bewegender und unterhaltsamer Generationenroman gelungen, in dessen Mittelpunkt drei Generationen von außergewöhnlichen, starken Frauen und ihre faszinierenden Lebensgeschichten vor dem Panorama des 20. Jahrhunderts stehen.
Das vielschichtige und mitreißend erzählte Familienepos nimmt uns nicht nur mit auf eine spannende Reise quer durch Europa sondern die ereignisreiche Spurensuche der Protagonistin Gwen führt uns auch zurück in die bewegte Vergangenheit des letzten Jahrhunderts.
Es ist eine hochkomplexe und nachdenklich stimmende Familiengeschichte, die von Hoffnungen, Sehnsüchten und Träumen erzählt, von turbulenten Verwicklungen, folgenschweren Entscheidungen, sorgsam gehüteten, dunklen Geheimnissen, unbewältigten Traumata, traurigen Verlusten und hinterhältigen Intrigen, die bis in die Gegenwart nachwirken – kurzum ein fesselnder Roman, der bestens unterhält und ganz nebenbei ein wichtiges Stück Zeitgeschichte vermittelt.
Die sich abwechselnden, auf unterschiedlichen Zeitebenen angesiedelten Erzählstränge haben mich bald in ihren Bann gezogen. Einfühlsam und mit angenehmer Leichtigkeit zeichnet die Autorin in den Rückblicken bedeutsame Lebensstationen ihrer Figuren aus der Vergangenheit nach und nimmt uns mit auf eine faszinierende Zeitreise, in der sie geschickt die politischen Verwerfungen im 20. Jahrhundert aufzeigt, die durch zwei Weltkriege, Judenverfolgung, Enteignung, Flucht und Vertreibung deutlich Spuren im Leben der Menschen hinterlassen haben. Atmosphärisch dicht und anschaulich sind die unterschiedlichen Schauplätze beschrieben, die uns nach Berlin, London, Köslin in Polen, Salzburg, Bad Tölz und schließlich zum elitären Schloss Elmau in Oberbayern führen. Sehr eindrücklich sind auch die spannenden Einblicke in das Alltagsleben, die uns die Zwänge der damaligen gesellschaftlichen Realität im Wandel der Zeiten vermitteln zu denen neben Armut und Not, Verlusten und Neuanfängen auch der Kampf um Gleichberechtigung und Selbstverwirklichung gehörten.
Elisabeth Sandmann hat mit ihrer Familiengeschichte sehr beeindruckende, vielschichtige Frauenfiguren geschaffen, die mit ihren Leidenschaften und Träumen, Stärken und Verletzlichkeiten lebensnah und lebendig wirken. Sie versteht es, uns im Laufe der Handlung deren schillernde Persönlichkeiten, ihr Innenleben und Wunsch nach Selbstbestimmung näherzubringen, so dass man sich recht gut in sie hineinversetzen kann. Ob nun die lebenskluge und ehrgeizige Bauerntochter aus Bad Tölz als eine der zentralen Charakter, der es gelungen ist, die damaligen Standesschranken zu überwinden, oder die mondäne, bis ins hohe Alter exzentrische Ilsabé, die sich als Tochter aus großbürgerlichem Haus stets alles Freiheiten herausgenommen hat, oder schließlich Ilsabés Enkeltochter Gwen, die sich aufmacht die vielen Leerstellen in ihrer verworrenen Familiengeschichte mit Wahrheiten zu füllen, Geheimnisse aus der Vergangenheit aufzudecken und ihr eigenes Leben zu ordnen – sie alle sind äußerst liebevoll gezeichnete Heldinnen und faszinierende Charaktere, die sich nicht unterkriegen lassen und die man gerne durch die bewegende Geschichte begleitet.
Einige Episoden, in denen schließlich bislang verschwiegene Familiengeheimnisse, Lügen und Verrat aufgedeckt werden, wurden für meinen Geschmack etwas zu rasch und oberflächlich abgehandelt, auch kamen etwaige Reaktionen auf ungeheuerliche Enthüllungen deutlich zu kurz.

FAZIT
Ein bewegender und unterhaltsamer Generationenroman mit einer fesselnden, vielschichtigen Familiengeschichte, vielen Geheimnissen und starken Frauenpersönlichkeiten.