Formen der Nostalgie

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amara5 Avatar

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Gleich zwei Autorinnen haben in dem außergewöhnlichen, über 500 Seiten starken Mystery-Thriller-Roman „Prophet“ ihrer fantasievollen Erzählkunst freien Lauf gelassen und ein Gesamtwerk geschaffen, das Genres sprengt und eine queere Romanze zwischen zwei Ermittlern mit actiongeladenem Science-Fiction-Horror vereint. Sin Blaché und Helen Macdonald erzählen dabei mit viel subtilem Humor, starken Dialogen und in einem dichten, surrealen Setting, in dem Nostalgie zur Todesfalle wird.

In Suffolk an der englischen Ostküste geschehen ominöse Dinge – mitten aus dem Nichts taucht in der Nähe einer Air Base-Station ein beleuchtetes American Diner auf und das ist erst der Anfang einer Kette voller mysteriöser Todesfälle, in denen sich Menschen mit nostalgischen Dingen aus ihrer Vergangenheit gefährlich vereinen. Die zwei sehr gegensätzlichen Agenten Adam Rubenstein und Sunil Rao werden vom Geheimdienst darauf angesetzt, die gruseligen Vorfälle schnell aufzuklären und geraten dabei in verschiedenen Ländern selbst in Gefahr – denn Ursprung des Horrors ist eine drogenähnliche, menschengeschaffene Chemiewaffe namens „Prophet“, die außer Kontrolle geraten ist und im rasanten Verlauf des Thrillers bald virushaft die ganze Menschheit bedroht. Verschiedene Sphären und korrupte Machenschaften prallen temporeich aufeinander und „Prophet“ hat unerwartete Twists, die die düster-packende Horror-Grundstimmung aufrecht erhalten, während sich Rubenstein und Rao romantisch annähern und sich philosophische Diskurse über die Macht von Nostalgie, Erinnerung und Vergangenheit geben.

Blaché und Macdonald verweben in ihrem spannenden, faszinierenden Roman nicht nur ihre breitgestreute, kreative Affinität zu übersinnlicher Science-Fiction mit brisanten Anleihen zu Gegenwartsfragen, sondern beweisen mit ihrer berührenden Liebesgeschichte auch ihr Feingefühl für scharf beobachtete zwischenmenschliche Gesten und Emotionen. Auch wenn „Prophet“ hier und da zu einigen Längen, Pathos und hoher Drehzahl tendiert, sticht das Werk mit seiner Andersartigkeit heraus und zeugt von einfallsreicher Kunst des unterhaltsamen Geschichtenerzählens.