Verborgene Visionen

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bobbi Avatar

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Das Autor*innen-Duo Helen Macdonald und Sin Blaché haben mit „Prophet“ einen epischen, genreübergreifenden und surrealen Science-Fiction-Krimi-Liebesroman geschaffen, der in der Lockdown-Phase der Pandemie entstanden ist. Dabei ermitteln zwei sehr unterschiedliche, queere Ermittler in einem mysteriös aufgeploppten amerikanischen Dinner im ländlichen Suffolk und reisen dabei turbulent in den Zeiten, Erinnerungen und Erzählperspektiven hin und her.

Das wiedervereinte Ermittlerpaar Sunil Rao und Adam Rubenstein geraten bei ihren umfangreichen Recherchen, die sie auch in andere Länder führt, nicht nur rasant-spannend in physische Gefahr, sondern auch in philosophische Turbulenzen, denn das Dinner steht in der Nähe eines Nato-Luftwaffenstützpunkts, in dem eine illegal hergestellte, psychoaktive Substanz namens Prophet austritt. Diese ruft bei den Menschen eine Art wahnhafte Nostalgie aus, die sich in bestimmten Bildern aus der Kindheit manifestiert und nicht mehr zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden lässt. Rao und Rubenstein scheinen immun gegen diese Art Droge zu sein und versuchen im Auftrag des Militärgeheimdiensts der ganzen Machenschaft und Verschwörung hinter der Chemiewaffe Prophet auf den Grund gehen, während sie sich langsam ineinander verlieben und die Erfinder von Prophet auf sehr gefährliche Weise die Kontrolle über ihr Werk verlieren.

Temporeich, humorvoll, mit vielen ausgeklügelten Dialogen und überraschenden Wendungen haben Helen Macdonald und Sin Blaché einen nicht ganz einfachen, aber sehr modern-kreativen sowie gruseligen Sci-Fi-Roman geschrieben, in dem sie all ihre Liebe für Filme aus diesem Genre sowie die Unsicherheiten während der Pandemie haben einfließen lassen. An manchen Stellen zwar etwas zu kompliziert und ausufernd, steckt in „Prophet“ trotzdem viel berührend-unterhaltsame Spannung, faszinierende Kreativität und klug konstruierte Gedanken zu unserer aktuellen Gegenwart.