Wenn Nostalgie zur Falle wird

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tsubame Avatar

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Eigentlich bin ich überhaupt kein Scifi-Fan und habe mich auf das Buch nur deshalb beworben, weil mir der Name Helen MacDonald und ihr Roman "H wie Habicht" (der leider schon viel zu lange auf meinem SUB ruht) ein Begriff sind und weil es mich dieses Jahr unbewusst zu Büchern hinzieht, die sich mit Zukunftsszenarien beschäftigen.

Schnell war ich in der Geschichte drin, habe gestaunt, war fasziniert und habe den Wälzer für meine Verhältnisse in sehr kurzer Zeit zu Ende gelesen. Nachdem ich dann auch noch auf einen Artikel der beiden Autorinnen Helen Macdonald und Sin Blaché gestoßen bin, die das Buch während des Lockdowns gemeinsam geschrieben haben, bin ich nun schwer beeindruckt. Vielleicht ist es ja ein glücklicher Zufall, dass die Veröffentlichung genau in den Sommer 2023 fällt, der in der Kinowelt als "Barbenheimer" in Erinnerung bleiben wird, denn die Beschreibung "Barbie meets Oppenheimer" trifft es auf den Punkt.

In der Geschichte geht es um rätselhafte Vorkommnisse wie das plötzliche Auftauchen eines amerikanischen Diner auf einem Feld im ländlichen England in der Nähe einer Militärbasis. Damit verbunden ist ein Todesfall, auf dessen Untersuchung zwei sehr unterschiedliche Charaktere angesetzt werden:

Der eine, Adam Rubenstein, ist ein undurchschaubarer Geheimagent, der nur für seinen Job lebt. Der andere, Sunil Rao, ehemaliger MI6-Agent, hat die Gabe Lüge und Wahrheit zu erkennen. Mich hat letzterer von seiner extravaganten und überdrehten Art her an "Prince" denken lassen. Die beiden haben schon früher zusammen gearbeitet, wobei Adam hauptsächlich die Aufgabe zukam, auf Rao aufzupassen, der neben einem schweren Drogenproblem die Begabung hat, sich regelmäßig mit allen erdenklichen Leuten anzulegen.

Die Dialoge der beiden sind nicht immer ganz einfach zu verstehen, weil vieles unterschwellig kommuniziert wird, aber irgendwie passt das auch zu einem Paar, das sich seine Gefühle für einander nicht so recht eingestehen mag (sich dieser zunächst auch gar nicht bewusst ist).

Ich persönlich fand die Story fesselnd und den Showdown nervenaufreibend spannend. Wenn man dann noch liest, dass die beiden Autorinnen eine Fabel darüber schreiben wollten, wie gefährlich es ist, die Vergangenheit auf Kosten der Vorstellung von einer Zukunft zu verklären, dann ist ihnen das absolut gut gelungen, finde ich.

In dem Roman "Prophet" wird Nostalgie zur lähmenden und tödlichen Waffe für all diejenigen, die dafür empfänglich sind. Daneben beinhaltet das Buch eine queere Liebesgeschichte zweier Menschen, die sich durch ihre Kindheit oder eben durch ihre besondere Gabe zu zwei Persönlichkeiten entwickelt haben, die entweder anecken oder sich aber bis zur Selbstaufgabe angepasst haben, die in ihrem tiefsten Inneren aber beide furchtbar einsam sind.

Und doch sind es eben diese beiden Außenseiter, denen die schwere Aufgabe zukommt, die Menschheit vor ihrem Untergang zu bewahren...

Ich persönlich könnte nicht sagen, für wen dieser Roman etwas sein könnte und für wen wohl eher nicht. Es ist ein bisschen wie beim Kochen. Die einen probieren gerne mal etwas Neues aus und sind überrascht, wie gut ihnen das Resultat schmeckt, die anderen haben feste Erwartungen und sind enttäuscht, weil es eben nicht so ist, wie sie es gerne haben wollten.