Ein nachdenklich stimmender True-Crime-Bericht

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billaschmitz Avatar

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Es handelt sich um ein Debüt, der als Roman deklariert ist, und doch eher wie ein Bericht wirkt. Natürlich schildert der Autor Situationen und Gedanken, denen er nicht beigewohnt hat, was es teilweise fiktional werden lässt, aber dennoch hat man den Eindruck, sehr nah an den echten Geschehnissen dran zu sein, was mit Sicherheit an den sehr intensiven und langwierigen Recherchen liegt. Ein Debüt eines sehr menschlichen, nahbaren Journalisten und ich kann gut verstehen, dass sich alle Beteiligten auf einen Kontakt mit ihm eingelassen haben.

Zum Inhalt: ich hatte von diesem Fall tatsächlich entweder nichts mitbekommen oder es wieder vergessen, das wird nun definitiv aber nicht geschehen. Als ich mir jetzt die Vermisstenplakate angesehen habe, klingelte etwas bei mir, aber die Auflösung habe ich vermutlich nicht registriert.

Eine traurige Geschichte für alle Beteiligten. Sie handelt von Hoffnungen und Scheitern, von Ängsten, Sorgen, Gefühl der Ohnmacht, Verdrängung, Leugnen und dem Ringen nach Glück. Einem Täter, der vorrangig nicht Täter sein wollte, es doch mehrfach wurde und bis zum Äußersten gegangen ist. Mehrere Opfer, von denen einer sich selber zumindestens zeitweise nicht zu lieben schien. Ein Suchender, ähnlich wie der Täter. In dieser Geschichte gibt es keinen Gewinner und selbst der Autor ist nicht ungeschoren davon gekommen und zeigt mit seinen eingeschobenen Gedankentexten, was passieren kann, wenn man zu lange in einen Abgrund schaut. Denn er schaut tatsächlich zurück.
Es gibt einige bemerkenswerte Aussagen in dem Roman, wie z.B. die Gedanken des Autors beim Gespräch mit der Nachbarin (Seite 169): ... die menschliche Wahrheit dem Widerspruch zugrunde liegt. Widersprüche mögen uns Unsicherheiten bereiten, weswegen wir gerne dazu neigen, bei Verbrechern von "Monstern" und dem "Bösen" zu sprechen, doch damit überhöhen wir die Banalität der Taten bloss... "
Und der Brief des Getöteten an sich selber, als Sinnbild dafür, sein Leben zu planen. Dinge anzugehen, es sich in seinem Leben "nett" zu machen und dankbar für alle Möglichkeiten zu sein, die man hat. Und sich selber zu lieben. Hätte der Täter dies getan, wäre es vermutlich nicht zu diesen unsinnigen Opfern gekommen.
Fazit:
Mir gefällt es sehr, dass hier auf alle Beteiligten, die es wollten, eingegangen wird, denn
auch der Täter bleibt ungeachtet seiner Taten menschlich.
Und auch wenn aus der Sicht der Angehörigen gerade anfangs polizeilich zu wenig getan wurde, um den Vermissten zu finden, kann ich die Vorgehensweise gut verstehen. Es wäre ja schlimm, wenn jeder Mensch schon nach kurzer Zeit der Abwesenheit mit einer polizeilichen Öffentlichkeitsfahndung gesucht würde. Aber es hätte evtl. das Leid der Angehörigen verkürzen können, deswegen verstehe ich deren Unmut. Eine saubere Lösung wird es beim Verschwinden einer erwachsenen, gesunden Person vermutlich nie geben.
Ein bewegendes Buch.