Sci-Fi trifft Thriller

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Tom Hillenbrand ist einer der spannendesten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. Egal ob Kulinarik-Krimi (die Xavier-Kieffer-Reihe), historischen Abenteuerroman (Der Kaffeedieb) oder Sci-Fi-Thriller. In allen Sparten erstaunlich originell und stilsicher erzählt der Journalist seine Geschichten und schafft es, immer glaubwürdige Kosmen zu schildern. Sein neues Buch macht da keine Ausnahme. Mit Qube geht es zurück in die Zukunft, die er schon in Drohnenland und Hologrammatica beschrieb.

Wir schreiben das Jahr 2091. Dank der Hologrammtechnik sieht alles auf den ersten Blick tadellos aus. Fassaden und Innenräume lassen sich in Sekundenschnelle je nach Geschmack gestalten. Der Klimawandel hat zur Verödung ganzer Landstriche und Regionen geführt. Das Weltall ist von den unendlichen Weiten zum unendlichen Ressourcenlager degradiert worden. Wer reich genug ist, kann sein Gehirn digitalisieren und sich dann in jeden beliebigen Wirtskörper transferieren lassen. Diese schöne neue Welt hat, wie schon zuvor in Hologrammatica beschrieben, allerdings ihre Abgründe.

Auf diese Abgründe ist auch der Enthüllungsjournalist Calvary Doyle gestoßen. Seine Recherchen kann er allerdings nicht mehr vollenden. Denn durch einen Kopfschuss wäre er um ein Haar ums Leben gekommen. Doch die Kugel verfehlt die wichtigsten Bereiche in Doyles Hirn um Haaresbreite. Dank der Quant-Technologie kann sich Doyle in einen neuen Körper laden. Die Erinnerung an die entscheidenden Tage und damit die entscheidenden Erkenntnisse seiner Recherche sind allerdings verloren.

Der Fall des Journalisten lässt bei der UNANPAI-Behörde die Alarmglocken schrillen. Denn die Behörde überwacht alles, das mit Künstlicher Intelligenz zu tun hat. Deren Direktor setzt Fran Bitter auf den Fall des fast ermordeten Enthüllungsjournalisten an. Womit hat sich dieser beschäftigt und wer will diese Erkenntnisse unter Verschluss halten? Fran Bitter beginnt mit den Ermittlungen, die sie von der Erde bis zu den äußersten Grenzen des Erdorbitgürtels führen. Offenbar hat jemand aus der Hologrammtica noch einige Rechnungen offen…
Von der Erde bis ins All

Tom Hillenbrand beweist mit Qube einmal mehr, was Literatur kann. Komplett neue Welten erfinden, eine mögliche Zukunft realistisch beschreiben und unsere Realität einfach ein oder zwei Einstellungen weiterdrehen. Ihm gelingt eine Weltenschöpfung, die so plausibel wie erschreckend ist. Geschlechter und Körper haben keine Definitionsmacht mehr, vielmehr ist alles in dieser mit Hologrammen überkleisterten Welt Schein. Mit Fran Bittner stellt Hillenbrand ein*e faszinierende, genderfluide Held*in den den Mittelpunkt. Je nachdem in welchen Körper sie sich bei ihren Ermittlungen hochlädt, ist sie mal Mann, mal Frau. Eine faszinierende Leseerfahrung.

Und auch ansonsten kann Hillenbrands Hologrammatica-Universum weiterhin überzeugen. Im Vergleich zu Band 1 weitet er die Welt und die Komplexität seines Plots noch einmal aus. So sind es im Großteil des Buchs vier Erzählstränge, die parallel nebeneinander herlaufen. Erst zum Ende hin verweben sich die Erzählfäden und ergeben das Gesamtbild. Das kann bei manchem Leser schon phasenweise für etwas Verwirrung sorgen, besonders, wenn man den Vorgängerband nicht gelesen hatte. Abhilfe schafft bei der Vielzahl des technischen Vokabulars aber auch ein angehängtes Glossar.

Wer Science-Fiction skeptisch gegenübersteht, könnte mit diesem trotzdem glücklich werden. Auch ich, der in diesem Genre normalerweise alles andere als zuhause ist, wurde hier gut unterhalten, vor allem, weil das Buch im Kern immer noch ein Krimi ist. Die Handlung wird mit geschickt gesetzten Cliffhangern immer wieder vorangetrieben und weist einige erzählerische Volten auf. Die Kreativität und Schöpfungsfreude Hillenbrand ist mehr als beachtlich, dank der man auch den etwas klischeehaft geratenen Bösewicht gerne verzeicht. Am Ende steht mit Qube eine wirklich packendes Leseerlebnis, das ich hiermit gerne weiterempfehle!