Ich habe Fragen.

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orongjen Avatar

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Anfänglich zog mich das Konzept der Vorlesegeschichten an, die sich den großen Fragen der jüngsten Leser widmen. Doch meine anfängliche Begeisterung wich rasch der Ernüchterung. Insbesondere die oft oberflächlichen Antworten und die teils unglücklichen Vergleiche der Erwachsenen enttäuschten mich. Auch der begleitende Elternbereich enttäuscht, da er kaum über bereits Bekanntes hinausgeht und sich auf triviale Aussagen wie „Auch Eltern können mal streiten“ beschränkt.


Ein weiterer gravierender Mangel ist die fehlende visuelle Gestaltung. Für eine Altersgruppe von 3 bis 6 Jahren, in der Illustrationen eine zentrale Rolle spielen, um die Aufmerksamkeit zu fesseln und zum gemeinsamen Entdecken einzuladen, wirkt die Aufmachung des Buches leider wenig ansprechend. Dies schmälert den Anreiz für Kinder, das Buch eigenständig zur Hand zu nehmen.


Besonders problematisch sind einige der inhaltlichen Entscheidungen. In der Geschichte über Geschlechtsunterschiede wird die Vulva nicht explizit benannt, stattdessen werden die kindgerecht anmutenden, aber irreführenden Begriffe „Wurm“ und „Schmetterling“ verwendet. Während der Penis namentlich erwähnt wird, empfinde ich diese Auslassung als eine Form von Sexismus, die bei Kindern Schamgefühle bezüglich des eigenen Körpers fördern kann.


Die Behandlung der Geschlechtsidentität wirkt auf mich, als würde sie dem Zeitgeist folgen, ohne das Thema ernsthaft zu durchdringen. Anstatt diesen komplexen inneren Prozess kindgerecht zu vermitteln, wird er auf eine oberflächliche Frage reduziert. Dieses Vorgehen verkennt, dass das Thema in diesem Alter für die meisten Kinder noch keine Rolle spielt und seine volle Bedeutung erst im Kontext der eigenen sexuellen Entwicklung erlangt.


Ebenso problematisch ist die Behandlung des Themas Tod. Als die Oma vom Tod des Opas berichtet, wird die Frage „Wo ist Opa hingegangen?“ mit „in den Himmel“ beantwortet. Im Elternbereich wird dann lediglich darauf verwiesen, dass man entsprechend der eigenen religiösen Überzeugungen antworten solle. Hier wurde meiner Ansicht nach eine komplexe Frage, die wir oft selbst nicht beantworten können, auf eine religiöse Antwort reduziert, die nicht für alle Eltern und Familien passend ist.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Buch an seinem eigenen Anspruch scheitert, die großen Fragen der Kinderwelt altersgerecht zu behandeln. Es verfehlt eine ehrliche und umfassende Auseinandersetzung mit sensiblen Themen wie Geschlechtsidentität und Tod. Aus diesen Gründen würde ich es für die Begleitung von Kindern durch diese wichtigen Lebensfragen nicht empfehlen.