Der Unterschied

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r.e.r. Avatar

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Hier ist wieder mal ein klassisches Beispiel für den wichtigen ersten Satz. "Niklas Weissenthal war das Produkt einer langen Serie fehlgeschlagener Erziehungsversuche". Dieser Haken hatte mich sofort an der Angel. Die Leseprobe von Yassin Musharbash "Radikal" hat mich dann auch nicht enttäuscht. Sondern gezeigt, das hier ein Meister sprachlichen Könnens. Aber auch ein Meister der sachlichen Hintergründe am Werk ist.

Zum Inhalt: Niklas Weissenthal, drogensüchtiger Abiturient hat eine zweite Leidenschaft. Die Chemie. Mit dieser verdient er sich das Geld für seine Sucht, indem er Sprengstoff selbst produziert und verkauft. TATP beispielsweise. Die letzte Einheit verkaufte er an einen Araber. Nun plagt ihn sein Gewissen. Er denkt er hat die Minibombe einem Terroristen überlassen. Im nächsten Kapitel lernt der Leser Samuya, eine arabische Studentin kennen, die sich auf ein Vorstellungsgespräch bei dem neu gewählten Abgeordneten der Grünen Latif vorbereitet. Mit arabischem Essen zum Frühstück, statt Nutellabrot. Das erfolgreiche Vorstellungsgespräch das Sumaya später mit Latif führt ist äußerst interessant. Sie wird eingestellt, gerade wegen ihrer sehr eigenen Vorstellungen von Toleranz gegenüber Migranten oder Mitbürgern anderer Herkunft. So wie sie eine ist. Der Berliner Politbetrieb wird im dritten Kapitel genauer unter die Lupe genommen.

Es fällt auf, dass der Autor über fundiertes Hintergrundwissen verfügt, was die politische Landschaft in Berlin betrifft. Aber nicht nur das. Er zeichnet charakteristische Bilder der Stadtteile sowie der Menschen die darin leben. Wedding und Kreuzberg, Berlin Mitte, Prenzlauer Berg. Gutmenschen, Migranten, Araber, Türken, Kurden. Ein Kaleidoskop der Glaubensbekenntnisse und Unglaubensbekundungen. Das alles hochspannend und hochintelligent.

Wer sich in der letzten Zeit mit den Themen Ausländerpolitik, Islam, Migration und Integration befasst hat, wird hier auf spannende Weise unterhalten aber auch umfassend informiert. Sprachlich sehr eingängig und gut formuliert. Sehr gut auch die Darstellung der Charaktere.

Um auf den ersten Satz zurückzukommen. Niklas, das Produkt der fehlgeleiteten Erziehung, führt in eine Geschichte, die genau das wiederspiegelt. Mal sehen, wohin es am Ende führt?