Reizvoll

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Raumfahrer, das sind Jan und seine Eltern, die orientierungs- und ziellos durch die Öde der ehemaligen DDR irren. Gescheiterte alle drei, auch noch nach 30 Jahren, zerbrochen an der Lebenswirklichkeit der DDR und den Umständen ihrer Auflösung.
Die Welt von Jan ist grau, instabil und bröckelig. Das betrifft sein Lebensumfeld, - er wohnt bei seinem Vater im Keller -, seine beruflichen Umstände, - er arbeitet als Abholer in einer Klinik, die kurz vor ihrer Schließung steht -, seine Beziehung zu Karolina, einer jungen Ärztin, und das Verhältnis zu seinen Eltern. Der scheinbar festgefügte und gleichförmige Alltag Jans gerät aus den Fugen, als er durch einen Patienten der Klinik entdecken muss, dass das Schicksal seiner Familie mit dem Schicksal seines Patienten Thorsten Kern verknüpft ist, dessen Onkel wiederum Georg Baselitz ist.
Die Geschichte der beiden Brüder Günter und Georg Kern, Künstlername Georg Baselitz, ist eingewoben in die Schilderung der Entdeckungen, die Jan über seine Mutter und seine Herkunft macht. Das ist als Leser nicht immer leicht nachzuvollziehen und einzuordnen. Denn nichts ist so, wie es scheint, hinter jeder vermeintlichen Gewissheit deutet sich eine andere Wahrheit an.
Die Protagonisten sind desillusioniert, niemand hat Pläne, Hoffnungen oder Perspektiven. Sie sind Gefangene ihrer Vergangenheit oder der ihrer Eltern.
Das System der DDR mit Stasi, IMs und Überwachung seiner Bürger, wird lakonisch, fast beiläufig zu einem Thema, das untergründig das ganze Buch durchzieht. Das weiß man erst, wenn man bis zu Ende gelesen hat und am Schluss viele Dinge in einem neuen Licht erscheinen.
Lukas Rietzschel hat mit seinem Roman dem Umstand Rechnung getragen, dass man seine Gegenwart nicht versteht, wenn man seine Vergangenheit nicht kennt. Die interessante, wenn auch nicht ganz einfach zu durchschauende Handlung machen das Buch zu einem reizvollen Lesegenuss.