Wo führt das hin?

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miro76 Avatar

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Jan streift durch sein Leben in einer dystopisch anmutenden Kleinstadt im ehemaligen Osten Deutschlands. Er arbeitet als Hol- und Bringdienst in einem Krankenhaus, das kurz vor der Schließung steht und Personal und Patienten bereits auf ein Minimum reduziert sind.
Genauso reduziert wirkt die Stadt. Die Fabriken sind Ruinen, die Plattenbausiedlungen stehen ohne Fenster und Türen da und sind dem Verfall anheim gegeben.
Selbst sein Leben ist dominiert von Leerstellen. Seine alkoholkranke Mutter hat die Familie verlassen und sein Vater trauert seinem ehemaligen Leben als Fischer nach. Zwischen der Freiheit der Wende und der Hoffnungslosigkeit einer fehlenden Zukunft verläuft nur ein ganz schmaler Grat.
In einem zweiten Erzählstrang lesen wir von dem Maler Georg von Baselitz, der kurz vor dem Mauerbau in den Westen geflüchtet ist. Sein Bruder wollte ihm folgen, war aber ein paar Tage zu spät dran und wurde von der Mauer überrascht. Eine Flucht ist ihm in den folgenden Jahren nie gelungen.
Baselitz Bilder beschäftigen sich mit den Helden, bzw. gefallen Helden von früher. Berühmt wurde er mit seinen Kopfüber Bildern. Die Menschen hängen quasi in der Luft, gefangen in einem Vakuum, dass sie treiben lässt.
Und genau so nimmt Jan auch seine Eltern wahr. Sie treiben als Raumfahrer in der Leere der Wende.
Mit diesen zwei Erzählstängen spannt Lukas Rietzschel einen Bogen zwischen der Nachkriegszeit und der Nachwendezeit verbunden durch Ausweglosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Der Aufwind dieser beiden Umschwünge weht definitiv anderswo.
Die Sprünge zwischen den zwei Erzählspträngen sind leider manchmal etwas verwirrend. Es braucht etwas, bis man sich an die chaotische Erzählweise gewöhnt, aber dem Autor gelingt es, diese beiden Geschichten zusammenzuführen und zu klären, wie die Ereignisse um Baselitz auch Jans Leben prägen.
Dadurch entspinnt sich ein Stück Erinnerungskultur, das eher die dunkle Seite der Geschichte zeigt.
Ich habe das Buch gerne gelesen, auch wenn man streckenweise nicht weiß, worauf das alles hinausläuft. Schlußendlich fügt sich alles und es ergibt sich ein schlüssiges Bild dieser verlorenen Gesellschaft. Wie Raumfahrer schweben sie durch ihr perspektivenloses Leben, ihrer Wurzeln beraubt.