Spannende Idee, leider mit einigen Längen

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kultaa Avatar

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Das sicherlich spannendste an diesem Buch ist seine Erzählstruktur: In sehr kurzen Episoden, die auf unterschiedlichen Zeitebenen liegen, wird das Schauspiel gewissermaßen Stück für Stück entfaltet. Nach und nach eröffnet sich für den:die Leser:in, wie es zu dem Hauptgegenstand des Werks, der Reality Show, gekommen ist, wer beteiligt ist und wie die Show sowohl vor als auch hinter der Kamera abläuft. Man wechselt beim Lesen somit zwischen Planung, den verschiedenen "Tatorten", dem Fernsehbild, den polizeilichen Ermittlungen und auch den Wohnzimmern verschiedener Zuschauer:innen hin und her. Ein durchaus fesselnde Idee, die einem so vielleicht eher aus dem Film- und Fernsehgenre bekannt ist. Innerhalb dieser Szenen bemüht sich die Autorin, alle wichtigen Informationen unterzubekommen, die Geschichte voranzutreiben und in gewisser Weise auch, den:die Leser:innen zum Nachdenken zu bewegen. Sie bietet eine Vielzahl an Identifikationsfiguren an, am Ende sind die Karten aber ganz klar verteilt: Die Umstürzer:innen, das sind die Guten, die Zuschauer:innen die, die aufwachen, und die eigentlichen Täter:innen, die Reichen. An diesem doch sehr schwarz-weißen Weltbild mag man sich, auch als Nicht-FDP-Wähler:in ein wenig stoßen. Vor allem, weil es auch ein wenig die Spannung nimmt, wenn es so offensichtlich ist, auf wessen Seite die Autorin steht.

Ein größeres Problem hatte ich jedoch beim Lesen bei der Masse an Hintergrundinformationen, die permanent irgendwie in den Text eingewoben wurden. Bei den verhandelten Fällen mag das noch notwendig sein, auch wenn es zum Teil sehr belehrend wirkte, aber muss ich wirklich jeden Fitzel über jede Nebenfigur wissen, jeden Gedanken? Ist es wirklich wichtig zu wissen, wie Marion früher Weihnachten gefeiert hat? Oder dass Opa findet, dass seine Enkel zu viel am Telefon hängen? Das Buch quillt über vor derlei Trivia und während ich das am Anfang noch gut auszuhalten fand (das ist vielleicht auch der Teil von Büchern, wo man das gewohnt ist), hat es sich etwa ab der Hälfte zäh angefühlt, als würde das die eigentliche Handlung und den Drive einfach nur behindern. Und so kommt die Geschichte für mich nicht ausreichend in Schwung, es baut sich keine wirkliche Spannung (Schaffen sie das wirklich?) auf, einige, Spannung versprechende Handlungsbögen verlaufen einfach im Sand (Was ist eigentlich mit den Ladys mit den Gewehren geworden? Oder ist das nicht weiter wichtig, weil zuuuufällig, niemand vom Team dort vor Ort eingesetzt war?) - von so einem sauberen Coup können die bei Haus des Geldes nur träumen!

Alles in allem war ich am Ende eher enttäuscht - die Idee ist super, das Konzept auch, aber die 460 Seiten waren mir einfach zu lang für eine so gradlinige Erzählung.