Eine Reise der egozentrischen Reflexionen

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heinoko Avatar

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Die „Reise durch ein fremdes Land“ wirkt in seiner ganz eigenen Intensität am ehesten, wenn man das Büchlein ohne Pause durchliest, sich ganz und gar einlässt auf die schneeverhangene Gedanken- und Erinnerungswelt des Vaters auf der Fahrt zu seinem Sohn. Das großartige Cover gibt dafür die perfekte bildhafte Einstimmung.

Zum Inhalt lässt sich nur wenig sagen. Tom, ein erfolgloser Fotograf, nimmt es auf sich, mitten im Schneechaos mit dem Auto quer durch Schottland zu fahren, um seinen erkrankten Sohn Luke vom fernen Studienort nach Hause zu holen. Luke solle an Weihnachten nicht alleine sein, so drängt Lorna, Tom’s Ehefrau.

Wir, die Leser, sitzen gemeinsam mit Tom im Auto, begleiten ihn über die langen Stunden hinweg bei seiner Fahrt, sehen mit seinen Augen die schier unbegrenzte Schneelandschaft, hören mit ihm in Dauerschleife ausgewählte Songs, folgen der weiblichen Stimme des Navis und den Telefongesprächen mit Lorna und Luke. Endlos scheint die Fahrt. Und endlos scheint die kalte Leere, diese Zeit der Reflexion, in der Tom teils schonungslos, teils unkritisch-beschönigend in die Vergangenheit abschweift. Sehr zögerlich, in ganz kleinen Gedankenschritten, nähert er sich seiner unfassbar großen Schuld, die er mit niemandem bisher geteilt hat, auch nicht mit sich selbst. Tom, der Fotograf, sieht die Welt in Bildern. In doppelbödigen Bildern. Und wir mit ihm. Je länger die Fahrt dauert, umso mehr spüren wir, wie Tom durch sein ganz eigenes Fegefeuer geht.

Der Roman besticht durch seinen poetisch-starken Sprachstil, durch seine Intensität. Und doch bin ich enttäuscht. Die geschilderten Personen bleiben dem Leser fern, sie bleiben im Blassen. Alles, wirklich alles dreht sich um Tom selbst. Der Erzähler wirkt ohne echte Empathie für andere. Das Ende der Geschichte, das in einer seltsam larmoyanten Überhöhung endet, lässt mich endgültig und enttäuscht diese Reise beenden.