Literarischer Danny Boy

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dj79 Avatar

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Es ist Winter, Weihnachten steht kurz vor der Tür. Nach tagelangen Schneefällen sind die Flughäfen dicht. Toms Sohn, Luke, der außerhalb studiert ist fiebrig krank, soll nicht in seiner Studenten-WG einsam zurückbleiben. Deshalb macht sich Tom mit ordentlich Proviant und guter Musik auf den Weg durch die winterliche Landschaft, um seinen Sohn nach Hause zu holen. Doch schnell wird klar, dass irgendetwas nicht stimmt in Toms Familie, vielleicht auch zwischen Vater und Sohn.
 
Die eigentliche Handlung des Romans ist begrenzt auf die Autofahrt mit ihren winterlichen Herausforderungen. Spannender sind die Gedanken, denen Tom währenddessen nachhängt, die Visionen, die sich ihm dabei immer wieder aufdrängen. Die Stimmung ist düster, fast ein bisschen morbide. Depression und Schwermut werden thematisiert, einige Überlegungen auf  Nordirlandkonflikt gerichtet. Die Betrachtungsweise entspricht dem Blick durch die Linse beim Fotografieren. Es entsteht also auch im Rückblick keine durchgehende Geschichte. Stattdessen wird der Fokus auf einzelne, ausschlaggebende Situationen gerichtet, die das Leben in Toms Familie maßgeblich beeinflusst haben. Am Ende betrachtet man ein Gesamtgebilde, in dem die bittere Wahrheit offen liegt.
 
Der Blickwinkel des Autors hat mich eine ganze Weile irritiert. Ich brauchte etwas, um das eigentliche Problem einzugrenzen. Letztlich war dieses Schwammige zu Beginn dennoch förderlich. Nur so konnte ich mich in Tom richtig einfühlen, meine Perspektive für seine Situation schärfen. Typen wie ihn steckt man gern in eine Schublade, die nicht gerechtfertigt ist. Sprachlich habe ich den Roman als angenehm empfunden, schon irgendwie schön, obwohl das Lesen an sich durch die bedrückende Atmosphäre nicht so vergnüglich war. Die ein oder andere Pause war notwendig, um das Gelesene wirken zu lassen. Auch wenn thematisch nicht so erfreulich, habe ich meine Gedanken zum Roman gern weiterfließen lassen.
 
Insgesamt mochte ich diesen traurigen Roman, der auch die ganze Zeit über etwas von Abschied hatte, Abschied vom Fotografen-Beruf als aussterbende Spezies, Abschied vom Sohn, aber auch Abschied von einer lebenslangen schweren Last. In diesem Sinne hatte der Roman etwas von der inoffizielle Hymne der Iren, Danny Boy. Diese Assoziation hat sich mir gerade zum Ende hin regelrecht aufgedrängt. Passend zur dunkleren Jahreszeit empfehle ich David Parks Roman gern.