Eine rotglühende Landschaft, eine baumlose spanische Hügelwelt und darin zwei einsame Reiter, unterwegs auf einer Reise. Schon das Buchcover strahlt Magie, Tiefe und traumhafte Visionen aus. Man schreibt das Jahr 1558 und Kaiser Karl der V. hat alle seine Macht abgetreten und erwartet seinen Tod in dem abgeschiedenen Kloster Yuste. Karl ist von Gicht gezeichnet, sein Körper verfällt und der ehemalige Herrscher über ein Reich, in dem die Sonne nie unterging, sieht er nun seinem Ende entgegen. Er sucht sich selbst, träumt im Laudanumrausch, blickt zurück und unternimmt seine letzte Reise. 'Wenn du keinen Namen hättest/keine Geschichte/keine Lebenserinnerung/keine Familie/einfach nur du selbst/nackt im Gras/Wer wärst du dann?' Geschickt vermischt Arno Geiger in seinem neuen Roman historische Tatsachen mit vielschichtigen Fiktionen. Ob Traum oder Wirklichkeit, sind dabei ohne Belang. Tatsache ist, dass der abgedankte Kaiser per Schiff in der spanischen Küstenstadt Laredo im Norden gelandet war und von hier aus in das Kloster Yuste reiste. Hier nun reist er umgekehrt mit seinem illegitimen Sohn Geronimo, der nichts von seiner Herkunft weiß und einem unterwegs getroffenen Geschwisterpaar durch spanische Landschaften und Abenteuer. Honza und Angelita sind Cagots, eine geächtete, teilweise verfolgte Minderheit. Wenn die Krone nicht mehr drückt, wenn Macht nicht mehr Karls Leben ausmacht, was bleibt. Karl will sich finden und bleibt doch häufig teilnahmsloser Beobachter. In die Reiseepisoden hat der Autor teilweise tiefsinnige, existentielle Fragen eingeflochten, so dass Realität, Fiktion, Magie und Fantasie eine gehaltvolle Mischung ergeben und das wieder einmal mit seiner wunderbaren sprachlichen Brillanz. Mir hat der Roman sehr gefallen und mich zum Nachschlagen diverser historischer Hintergründe bewegt (Biografie und Persönlichkeit von Kaiser Karl oder wer waren die Cagots). Wenn ein Roman nicht nur vortrefflich unterhält, sondern auch noch zur Weiterbildung beiträgt, dann ist er meine Leseempfehlung.