Das Versäumnis des Lebens
Oje, hochgeschätzter Arno Geiger, was muten Sie Ihrer Ihnen jederzeit dermaßen gewogenen Leserschaft für einen harten Brocken zu, die diesen auch wieder im Nu in die Spiegel-Bestsellerliste katapultierte?
Noch den heiter-beschwingten Ton des "Glücklichen Geheimnisses" im Ohr, wandte ich mich voller Tatendrang diesem erneuten alten König im Exil zu, der aber dessen menschlich zugewandte Haltung total vermissen ließ. Karl V., habsburgischer Herrscher des Abendlands, Luthers wehrhafter Kontrahent, lässt sich siech und apathisch in die warme Brühe hieven, während alle mit ihm Befassten nur noch auf Erlösung hoffen.
Ein Dunst des Lebensüberdrusses verhängt die einleitende Szenerie, von Geiger in einer nüchternen, nichts beschönigenden Sprache dargelegt, die er mit Sentenzen und Metaphern spickt. Die Flucht aus dem Kloster führt ihn zusammen mit Geronimo, den er für seinen illegitimen Sohn hält und mit dem er ein Gespann wie Don Quijote und Sancho Pansa ergibt, durch düstere Landschaften im strömenden Regen, bis er einem gewaltsam schikanierten Cagot-Pärchen begegnet und mit ihnen die Reise fortsetzt. Dabei werden alle Sinne aufs Äußerste gereizt: optisch ohnehin, aber auch durch Gerüche und schrille Wagenräder.
Selten trifft er auch auf Fürsorge wie bei der Heilerin, die den gefolterten Honza in schlichter Mitmenschlichkeit aus ihrer Armut heraus wiederherstellt.
Ansonsten prägen Todesboten die Sphäre: Geier kreisen in der Luft, Staub überlagert alles. Am Galgen und am Friedhof vorbei überquert die kleine Gruppe einen Pass, um in die Tote Stadt zu gelangen, in der sie sich wochenlang bei aussetzendem Zeitgefühl in der Herberge eines niederträchtigen Wirts einquartieren. Und über dieser Passage breitet sich für mich lähmende Langeweile aus. Man kann es in allen Fasern seines Inneren nachvollziehen, wie sich dieser Monarch, der zeit seines Lebens mit Mächtigen und Künstlern verkehrte, in nie geahnte Niederungen der Gesellschaft hinabbegibt und ein wahrhaftes "de profundis" anstimmt. Aber möchte man das alles so ausdrücklich als Leser miterleiden? Manches kommt mir auch wie eine Fingerübung in Stilistik vor. Und dabei bringen mich dann wiederum gegenwärtig moderne Floskeln wie "dann hätten wir das also auch geklärt" beim Lesen aus dem Tritt.
Man sagt, vor dem Auge eines Sterbenden ziehe noch einmal sein Leben vorüber, aber dieses ist eher ein Komplementärleben, denn es sind Personen involviert, mit denen sich Karl niemals abgegeben hätte. Dramatische Geschehnisse voller Brutalität lassen mich relativ kalt, weil sie so absurd sind und menschlich nicht in mir verfangen.
In der Unterkunft hat Karl einige finale Kämpfe auszufechten, erlebt aber auch tanzend ungeahnte Freuden, bis er sich zur letzten Fahrt hin befreit. Die Frage nach der Schönheit, vielleicht vertreten durch den Greif, zieht sich wie ein Leitmotiv durch das ganze Buch.
Noch den heiter-beschwingten Ton des "Glücklichen Geheimnisses" im Ohr, wandte ich mich voller Tatendrang diesem erneuten alten König im Exil zu, der aber dessen menschlich zugewandte Haltung total vermissen ließ. Karl V., habsburgischer Herrscher des Abendlands, Luthers wehrhafter Kontrahent, lässt sich siech und apathisch in die warme Brühe hieven, während alle mit ihm Befassten nur noch auf Erlösung hoffen.
Ein Dunst des Lebensüberdrusses verhängt die einleitende Szenerie, von Geiger in einer nüchternen, nichts beschönigenden Sprache dargelegt, die er mit Sentenzen und Metaphern spickt. Die Flucht aus dem Kloster führt ihn zusammen mit Geronimo, den er für seinen illegitimen Sohn hält und mit dem er ein Gespann wie Don Quijote und Sancho Pansa ergibt, durch düstere Landschaften im strömenden Regen, bis er einem gewaltsam schikanierten Cagot-Pärchen begegnet und mit ihnen die Reise fortsetzt. Dabei werden alle Sinne aufs Äußerste gereizt: optisch ohnehin, aber auch durch Gerüche und schrille Wagenräder.
Selten trifft er auch auf Fürsorge wie bei der Heilerin, die den gefolterten Honza in schlichter Mitmenschlichkeit aus ihrer Armut heraus wiederherstellt.
Ansonsten prägen Todesboten die Sphäre: Geier kreisen in der Luft, Staub überlagert alles. Am Galgen und am Friedhof vorbei überquert die kleine Gruppe einen Pass, um in die Tote Stadt zu gelangen, in der sie sich wochenlang bei aussetzendem Zeitgefühl in der Herberge eines niederträchtigen Wirts einquartieren. Und über dieser Passage breitet sich für mich lähmende Langeweile aus. Man kann es in allen Fasern seines Inneren nachvollziehen, wie sich dieser Monarch, der zeit seines Lebens mit Mächtigen und Künstlern verkehrte, in nie geahnte Niederungen der Gesellschaft hinabbegibt und ein wahrhaftes "de profundis" anstimmt. Aber möchte man das alles so ausdrücklich als Leser miterleiden? Manches kommt mir auch wie eine Fingerübung in Stilistik vor. Und dabei bringen mich dann wiederum gegenwärtig moderne Floskeln wie "dann hätten wir das also auch geklärt" beim Lesen aus dem Tritt.
Man sagt, vor dem Auge eines Sterbenden ziehe noch einmal sein Leben vorüber, aber dieses ist eher ein Komplementärleben, denn es sind Personen involviert, mit denen sich Karl niemals abgegeben hätte. Dramatische Geschehnisse voller Brutalität lassen mich relativ kalt, weil sie so absurd sind und menschlich nicht in mir verfangen.
In der Unterkunft hat Karl einige finale Kämpfe auszufechten, erlebt aber auch tanzend ungeahnte Freuden, bis er sich zur letzten Fahrt hin befreit. Die Frage nach der Schönheit, vielleicht vertreten durch den Greif, zieht sich wie ein Leitmotiv durch das ganze Buch.