Yo, el rey.

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martinabade Avatar

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Dies ist ein un-Geiger(i)scher Geiger. Würde ich meinen. Jetzt muss sich die Leserin mit dem Autor entwickeln, dem Text folgen. Vamos.

Die „Reise nach Laredo“ hat einen historischen Rahmen. König Karl V., aus dem Geschlecht der Habsburger, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und als Karl I. König von Spanien (1500-1558) zieht sich Mitte des 16. Jahrhunderts sowohl als König von Spanien als auch Deutscher Kaiser zurück und lebt fortan im Kloster Yuste in Nordspanien. Der Ex-Kaiser, Ex-König sucht nach Vergebung, nach Einheit mit seinem Gott, nach Vergebung und Erlösung. Karl ist krank, die Gicht macht ihn (eigentlich) bewegungsunfähig, Er blickt von seinem Bett aus in die Kirche und verfolgt die Messen. Die Lakaien sind um ihn herum, der Beichtvater, der Arzt, der Majordomus, der Kammerdiener, und alle warten darauf, dass Karl endlich stirbt Das tut er dann auch. So weit das Historische.

Als sein 11jähriger unehelicher Sohn Geronimo, der in der Nähe bei einer anderen Familie untergebracht ist und nichts über seine Herkunft weiß, vorlaut über die Hecke klettert und ohne Berührungsängste beginnt, den Alten zu befragen, bekommt die Geschichte Flügel.

Die Beiden fliehen bei Nacht, auf geht‘s, auf Pferd und Maultier nach Laredo an die nordspanische Küste. Keine Logik, kein Warum – einfach der Geschichte folgen. Mitte des 16. Jahrhunderts zu reisen, als normaler Mensch und nicht als Kaiser oder König, ist beschwerlich. Hygiene, Versorgung, Tempo, Sicherheit. Vergesst es. Karl und Geronimo treffen auf Honza und Angelita, die beiden jungen Leute, auch fast noch Kinder, sind Cagots, Ausgestoßene, die an ihrer Kleidung einen Enten- oder Gänsefuß tragen müssen. Sie haben einen Wagen, von Maultieren gezogen, sind Fuhrleute.

Endlich kann Karl seine gichtigen Glieder vom Maultier hieven. Das Leben ist gefährlich, ärmlich, und der Mensch ist der Natur und dem göttlichen Willen vollständig ausgesetzt. Aufklärerische Ansätze, Reformation oder gar Gegenreformation sind in die nordspanische Pampa noch nicht geraten. Es gilt das Gesetz des Stärkeren, das harte Leben, der Dreck, die Armut werden mit Alkohol und Glücksspiel betäubt – und für Karl gibt es manchmal auch ein Schlückchen Laudanum.

„Schönheit? Was das ist, das weiß ich nicht.“

Die Vier lernen sich kennen, wie Karl noch nie in seinem Leben Menschen kennen, lieben und schätzen gelernt hat. Bis auf seine verstorbene Frau Isabel. Er lebt auf Knien vor seinem Gott. Er kämpft mit Fragen, die durch seinen verwirrten Kopf flattern. Er verurteilt sich, er hinterfragt sich und seinen Gott, er zweifelt. Aber - er erlebt Momente der Ruhe, Freude und Gelassenheit, kommt in flüchtigen Momenten im wahrsten Sinne zu sich selbst. Und im Text beginnt eine Meditation, der Text fließt wie ein Strom in Karls Kopf, etwas Magisches und etwas Magnetisches.

„Das Leben – es ist ein Taumel. Amen.“

Der Autor ist Jahrgang 1968, und wir hoffen, dass der Arno Geiger nicht mit diesem Buch unter die Schwermütigen geraten ist. Und – Botschaft an den Verlag. Die Vita von Arno Geiger sollte aus deutlich mehr bestehen als auch Titeln und Preisen.

„Zum Abendessen werden Singvögel aufgetragen. Drossel mit Kohl.“