Die Suche nach der Wahrheit

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Estelle Paradise wacht auf und wundert sich, dass ihr sonst so viel weinendes Baby still ist. Dann der Schock: sowohl Mia als auch alle ihre Kleider, Spielsachen, sogar Windeln und Fläschchen, einfach alles, was Mia gehört, sind verschwunden. Doch die Tür ist von innen dreifach verriegelt – was also ist geschehen? Estelle traut sich selbst nicht und so ist es kein Wunder, dass alle meinen, sie habe ihr Baby getötet, als man sie schwerverletzt aus ihrem Wagen birgt. Die Unfallstelle ist mehrere Stunden von ihrem Zuhause entfernt und Estelle hat das Verschwinden ihrer Tochter niemandem gemeldet. Estelle sucht verzweifelt nach der Wahrheit und nach Mia.

Der Thriller ist aus der Perspektive von Estelle geschrieben, sodass der Leser nie mehr als sie weiß. So langsam Estelle die Puzzleteilchen zusammentragen kann, so langsam kommt auch der Leser an Informationen. Allerdings hat Alexandra Burt in mir ganz viel damit bewegt. Ich wollte Estelle so gerne beistehen, weil es offensichtlich war, dass sie niemanden hat und selbst ihr Mann ihr keine Stütze, sondern eher eine weitere Last ist. Die Probleme mit Mia waren für Estelle einfach nicht allein lösbar – ob nun aus Unvermögen oder weil Estelle in ihrer postpartalen Psychose gefangen war. Die Ärzte und ihr Mann haben nicht erkannt, wie schlecht es Estelle geht. Das hat mich sehr betroffen gemacht. Ihre Hoffnung, nicht komplett durchgedreht zu sein und dem Baby Mia etwas angetan zu haben, teilte ich auf Anhieb. Auch wenn sie irrational gehandelt hat, konnte ich es nachvollziehen und wäre so gern helfend eingesprungen.

Für mich flogen die Kapitel nur so dahin und mit jeder neuen Erkenntnis wurde ich trauriger und verzweifelter. Die Wendungen im Buch waren mehr als erschreckend und berechtigen den Titel „Thriller“ absolut. Um herauszufinden, was wirklich geschehen ist, muss sich Estelle ihrer Vergangenheit stellen, bis weit in die Kindheit hinein. Dabei werden ihr immer wieder Dinge vor Augen geführt, die ihr zeigen, dass es nicht nur einen Blickwinkel gibt. Daraus kann sie Kraft schöpfen und neue Wege an ihr eigentliches Ziel finden.

Die Autorin zeigt damit auch gleichzeitig dem Leser immer wieder, dass selbst die eigenen Augen lügen können – wenn wir es zulassen (und das tun wir oft, weil wie die Dinge gern so sehen, wie wir sie eben sehen wollen). Deshalb ist für mich der Schlüsselsatz dieses Buches „Habe ich zu viel erwartet oder hat er mir zu wenig gegeben?“.

Es gab jedoch auch einen Punkt, da hätte ich am liebsten geschrien: „Ja, ich habe es kapiert, dass Mia schwierig ist, Estelle allein nicht klarkommt, Jack ungerecht ist. Nein, ich glaube nicht, dass Estelle zu einer bösen Tat fähig ist.“ Da war mir irgendwann einfach zu viel Treten auf der Stelle. Doch dann löste sich in der Story ein Knoten und jede neue Erkenntnis eröffnete neue Möglichkeiten – und damit wieder tausend Fragen. Verwirrung, Hilflosigkeit – und ganz viel Spannung! Jede Sekunde im Hinterkopf: wo ist Mia, bekommt Estelle sie wieder?

Kurz und knapp: ich finde dieses Buch erschreckend gut. Und befürchte, dass der Plot tagtäglich Realität ist. Macht für mich volle fünf Sterne.