Wo ist meine Tochter?

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Diese Frage stellt sich die junge Estelle Paradise, als sie nach einem Autounfall im Krankenhaus erwacht. Immerhin kann sie sich an ihr sieben Monate altes Kind erinnern - ansonsten hat Estelle nämlich eine hochgradige Amnesie erlitten. Bruchstückhaft schweben einige Erinnerungsfetzen durch ihren Kopf, doch je mehr davon hinzukommen, desto beunruhigender wird das ganze. Denn die kleine Mia ist nicht etwa bei dem Unfall verschwunden - sie verschwand bereits drei Tage davor.

Nicht nur Estelle, sondern auch die Polizei möchte Antworten. Weshalb hat die junge Mutter das Verschwinden ihres Kindes nicht angezeigt? War es tatsächlich ein Unfall, bei dem Estelle in eine tiefe Schlucht fuhr? Und die Schusswunde, die eine ernsthafte Verletzung zur Folge hatte - Attentat oder Selbstmordversuch? Eine Menge Fragen, auf die die junge Frau keine Antworten hat. Ebensowenig wie auf die drängendste aller Fragen: Wo ist Mia und was ist mit ihr geschehen?!

Doch nicht allein der Unfall ist die Ursache für Estelles psychische Probleme. Seit Mias Geburt leidet sie an einer schweren postpartalen Depression, die inzwischen psychotische Züge entwickelt hat. Und so wird der Leser in den Strudel der Verwirrung hineingezogen, vestärkt noch durch den ständigen Wechsel zwischen Wahn und Wirklichkeit, Einbildungen und wahren Erinnerungen - was davon stimmt wirklich? Ihre Gedanken und Handlungen nach dem Verschwinden Mias - eine Folge von Estelles psychischer Problematik oder aber die verzweifelten Versuche, die Spuren einer grausamen Tat zu verwischen? Zu dem Schluss scheint jedenfalls die Polizei zunehmend zu gelangen: die junge Mutter wird verdächtigt, ihr immerfort schreiendes Kind - ja, was? Weggegeben, getötet, zum Schweigen gebracht zu haben? Die einzige Möglichkeit, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, scheint der Gang in die Psychiatrie zu sein.


"Ich wünschte mir immer, dass mich jemand herausfischt, ans Licht hält, mich mit dem Hemdzipfel abwischt und sich freut, mich gefunden zu haben."


Das Forschen nach Erinnerungen - daraus besteht hier im wesentlichen die Ermittlungsarbeit. Diese harte Arbeit an der eigenen Psyche scheint nämlich der einzige Weg zu sein, um herauszufinden, was wirklich mit Mia geschehen ist. Für manche Leser mag dieser Ansatz zu langwierig sein - ich fand ihn dagegend spannend, weil ich psychologische Einblicke immer interessant finde. Als allerdings auch im weiteren Verlauf Estelles psychische Erkrankung immer wieder als Erklärung für ihr oftmals wirres und irrationales Verhalten herhalten musste, wurde es mir letztlich diesbezüglich manchmal etwas zu viel. Diese Erklärung erschien mir für manche Geschehnisse auf Dauer einfach zu simpel.

Vier Teile hat dieser Thriller, und die ersten beiden waren für mich persönlich die stärkeren. In den letzten beiden Abschnitten entwich mir gelegentlich ein ungläubiges Schnauben, da ich mir einige Szenen und Verläufe nur schlecht vorstellen konnte. Doch die Frage nach dem Verbleib der kleinen Mia in Verbindung mit einem flüssigen, eingängigen Schreibstil, trieb mich immer weiter durch die Seiten.

Ein etwas anderer Thriller, oft langsam in der Erzählung, aber vor allem in der ersten Hälfte untergründig spannend durch die Verwirrung um das Geschehen und die immer zahlreicher aufkommenden Fragen. Insgesamt ein nettes Lesevergnügen, dem ich am liebsten 3,5 Sterne vergeben würde, was ich hier aber aufgrund der Besonderheit des Plots gerne aufrunde auf 4 Sterne.


© Parden