Bonner Politbühne im November ´72

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Der Roman "Rheinblick" von Brigitte Glaser vereint Fiktion mit der deutschen Geschichte des Herbstes 1972. Ich mag grundsätzlich sehr gern spannende Geschichten, die zudem noch geschichtliches Wissen vertiefen. Trotzdem konnte mich diese Story nicht richtig abholen.

Die Geschichte beginnt mit der Wahl von Willy Brandt zum Bundeskanzler im November 1972. Während der Wahlnacht verliert Brandt seine Stimme und begibt sich in Behandlung der Logopädin Sonja. Parallel dreht sich das Politkarussell mit Geheimnissen und Intrigen, um den neuen Bundestag zu gestalten. Zu einem nicht unerheblichen Anteil passiert dies in der Gaststätte Rheinblick, die dem Bundestag gegenüber liegt und in der die resolute Wirtin Hilde ihre Kundschaft umsorgt und nebenbei vieles von den Ränkespielen der Politiker mitbekommt.

Die Grundidee dieser Geschichte gefällt mir gut und sie hat viel Potenzial, doch meiner Meinung nach schießt Brigitte Glaser häufig über das Ziel hinaus. Die beiden Hauptfiguren Sonja und Hilde sind schön gezeichnet und mir von Beginn an sympathisch, die weiteren Akteure bleiben jedoch fade und eindimensional. Das mag daran liegen, dass es sehr viele Nebenschauplätze und viele Figuren gibt, die nicht alle gleich relevant für den roten Faden der Geschichte sind. Vielleicht hätte es dem Buch besser getan, eher weniger Figuren interagieren zu lassen und diese dafür etwas detaillierter auszuarbeiten. Ich bekam den Eindruck, dass die Autorin unbedingt alle Ideen in diesem Buch verarbeiten möchte.

Dennoch hat es Spaß gemacht, das Buch zu lesen. Ich habe das Jahr 1972 nicht selbst erlebt, aber es ist interessant auf diesem Wege noch einmal die neuere deutsche Geschichte erzählt zu bekommen. Der Schreibstil ist flüssig und detailverliebt, das passt sehr gut zur Kombination aus Fakten und Fiktion.

Fazit: Ein interessantes Buch, wenn man sich für die neuere deutsche Geschichte interessiert und gerne starke, weibliche Hauptfiguren mag.