Anspruchsvolle Verbindung aus Vergangenheit und Fiktion

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
romy_abroad Avatar

Von

Paula Bloom kehrt nach ihrer Ausbildung in Camp Ritchie als Angehörige des US-Militär in das zerstörte Nazi-Deutschland zurück. Mit ihrem amerikanischen Vater ist sie in Berlin aufgewachsen und hat die Veränderungen in der Gesellschaft miterlebt, wenn auch immer aus einer sehr privligierten Position heraus. Wieder in Deutschland muss sie sich nun mit den neuen Machtverhältnissen auseinandersetzen und ertragen, wie Verbrecher als Verbündete rekrurtiert werden, da ihr Wissen für die Amerikaner mehr wert ist als ihre Schuld. Doch nicht nur die kollektive Schuld des deutschen Volkes wiegt schwer in Paulas Augen und in ihrem Herz - auch Menschen in ihrem eigenen Umfeld, wie ihren Vater, Freunde, einen Geliebten, muss sie plötzlich mit anderen Augen sehen, um die Wahrheit zu erkennen.

Andreas Pflüger erzählt mit der Geschichte von Paula Bloom eine sehr vielschichtige Lebensgeschichte: Paula ist Tochter, Freundin, Geliebte, alte Bekannte, sie ist Soldatin, Deutsche und Amerikanerin, sie ist Siegerin und Besiegte gleichzeitig. Entsprechend reich ist ihre Erfahrungswelt, sind ihre Gedanken und Gefühle. Doch den weitaus größeren Raum in Pflügers Roman nehmen historische Schilderungen, Seilschaften, Geheimpläne und Verbindungen ein. Und so würde ich "Ritchie Girl" durchaus als historischen Roman beschreiben, wobei der Fokus durchaus auf den historischen Umständen und Hintergründen liegt. Für mich persönlich war der Roman dadurch vor allem in der zweiten Hälfte zäh und durchaus schwere Kost. Die Geschichte von Paula ist durchweg anspruchsvoll und erfordert vom Leser einiges an Einordnung, Abwägung und Interesse. Wer denkt, hier einen Liebes- oder Kriminalroman mit historsichen Elementen in den Händen zu halten, der liegt falsch - das Gegenteil ist der Fall.
Diesen Umstand sehe ich jedoch nicht als Nachteil: Wer Interesse und vielleicht auch Vorwissen über die Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen mitbringt, der findet hier einen exzellent recherchierten Roman, gespickt mit einer Vielzahl an geschichtlich relevanten Elementen und bekannten Namen, die den Leser aufhorchen lassen. Für mich persönlich war der Roman als Freizeitlektüre etwas zu dicht in seiner Erzählweise, sodass ich ihn nur eingeschränkt weiterempfehlen kann.