Die Malkunst

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april1985 Avatar

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Was haben ein geschickter Schachzug, Jan Vermeer, ein Attentat und mürbe Kipferl gemeinsam? Die Antwort lautet Clemens Hartmann, Restaurator im Kunsthistorischen Museum Wien.

Nach einem gemeinen Anschlag auf Jan Vermeers Gemälde "Die Malkunst" wird Clemens mit dessen Restauration beauftragt. Was eigentlich nicht unter 9 Monaten zu schaffen ist, muss allerdings innerhalb von 3 Monaten geschehen. Der Bundeskanzler will es so. Das Bild soll künftig sein Büro zieren und ausländische Delegationen beeindrucken. Ein Ding der Unmöglichkeit für Clemens. Nach reichlichen Überlegungen, zahlreichen mürben Kipferl und Beratschlagungen mit seinem Assistenten Hubert beschließt Clemens eine Kopie der "Malkunst" anzufertigen. Der Kanzler und seine Entourage werdens schon nicht bemerken. So "gscheid" sind die werten Herren nicht.

Der österreichische Autor Reinhard Tötschinger konnte mich mit Rochade unglaublich begeistern. Humoristisch, gesellschaftskritisch und mit historischen Bezug erfahren wir die interessante und spannende Geschichte zu einem der bekanntesten Gemälde Vermeers, das bereits Hitler zu seinen Favoriten gezählt hat.

Reinhard Tötschinger schreibt mit einer Leichtigkeit, sehr humorvoll und Sarkasmus zwischen den Zeilen. Kurze Kapitel, viele Dialoge und Rückblenden in die Zeit des Nationalsozialismus erschaffen ein lebendiges Bild und kurzweiliges Leseerlebnis.

Mit Clemens Hartmann hat Tötschinger einen echten Wiener Charakter als Protagonist gewählt. Authentisch gezeichnet und mit Wiedererkennungswert hat der oftmals grantelnde Chefrestaurator des KHM Wien mein Herz erobert. Seine inneren Dialoge mit Jan, die hitzigen Diskussionen mit den Vorgesetzten, seine Vorliebe für mürbe Kipferl, herrlich sarkastische Bemerkungen und zahlreiche Weisheiten, die Mama, Papa und Opa mit auf den Weg gegeben haben, haben Clemens Hartmann für mich zum Highlight des Buches werden lassen.

Doch auch die zahlreichen Nebencharaktere, von den Angestellten im Museum bis zum Kanzler, wurden treffend in Szene gesetzt, natürlich nicht ohne Kritik am aktuellen politischen Geschehen und der Gesellschaft zu üben.

Besonders begeistern konnten mich auch die zahlreichen eingestreuten Anekdoten, wie zum Beispiel die Herkunft des Croissants, warum der Kellner in Wien Herr Ober gerufen wird und der spannenden Frage was es mit dem Café Engländer auf sich hat. Ja, Tötschinger lässt in seinem kunsthistorischen Roman auch die Wiener Kaffeehauskultur hochheben. Mein Herz hats erfreut, wird so doch das Wiener Lebensgefühl so richtig schön eingefangen und präsentiert. Ich würde sagen: Die Rochade ist gelungen!

Fazit:

Humoristisch, gesellschaftskritisch, mit historischem Bezug und doch brandaktuell! Mit Rochade hat Reinhard Tötschinger bei mir voll ins Schwarze getroffen. Die verworrene Geschichte von Vermeers berühmten Gemälde "Die Malkunst" eingebettet im aktuellen politischen Geschehen und die Frage, ab wann eine Kopie als Fälschung gilt haben mich fasziniert und zum Nachdenken gebracht. Absolute Leseempfehlung, nicht nur für Kunstkenner!