Dieses unsägliche Wort "Restauration"

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ismaela Avatar

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Ich bin ehrlich - das Cover hat mich nun nicht recht angesprochen, es wirkt auf mich sehr dilletantisch und wenig einladend. Der Klappentext hat mich dann schon eher neugierig gemacht, vor allem, weil es um das Thema Restaurierung geht. Und die Geschichte an sich klang auch recht spannend. Zwar ist dieser Vorgang an sich - eine Kopie eines berühmten Gemäldes (oder sonstigen Kunstwerkes) anzufertigen, um eine bestimmte Person oder Gesellschaft oder Gruppe etc. zu foppen - nicht neu, aber Das Doppelte Lottchen gibt es ja auch in zig Adaptionen und so schlecht ist die eine oder andere Version nicht.

In "Rochade" haben wir nun also den österreichischen Restaurator Clemens Hartmann, der Vermeers berühmtestes Gemälde "Die Malkunst" restaurieren soll, weil es sich der Kanzler als Prestigeobjekt in sein Büro hängen will. Dabei ist dieser Kanzler dabei, das Land nach und nach in eine Diktatur zu verwandeln und deshalb nicht gesprächsbereit, auf die Einwände von Hartmann einzugehen, der darauf hinweist, dass eine Restaurierung weit mehr Zeit braucht, als die verlangten drei Monate. Gemeinsam mit seinem aus Sachsen stammenden Assistenten Hubert suchen und finden sie eine Lösung: eine detailgetreue Kopie für das Kanzleramt muss her, während das Original zunächst in Ruhe zu ende restauriert und dann sicher im Depot verwahrt werden könnte. Eine richtige Rochade also. Dass am Schluss der Geschichte dann in einem anderen Zusammenhang doch noch hochoffiziell eine Kopie der Malkunst angefertigt werden soll, macht das Kunst-Durcheinander erst recht perfekt.

Tötschinger verwebt in seinem Roman vergangene und aktuelle Ereigniss, die tatsächlich so stattfanden (vor allem die Kunsbeschaffungsbemühungen der Nazis), mit romanhaften Spielereien, indem er etwa aus dem Land Österreich durch die Regierung nach und nach eine Diktatur werden lässt. Ab und an blitzen in Nebensätzen diese Zustände auf, etwa wenn Redaktionen personell "optimiert" und Medien zensiert werden und gewalttätige Aufmärsche mit "roten Fahnen" und Fähnchen stattfinden. Teilweise wirkt dies sehr bemüht, und selbstverständlich steht der hochangesehene Clemens Hartmann auf der anderen Seite und will mit diesem ganzen Mist nichts zu tun haben. Schon allein wegen der Vergangenheit seines Opas, der aktiv an der Kunstbeschaffung der Nazis beteiligt war. Deshalb sieht es Hartmann als regelrechten Wiederstand an, eine Kopie der Malkunst anzufertigen, um "denen da oben eins auszuwischen".

Zur Arbeit von Clemens Hartmann an sich: ich weiß nicht, wie es in der Konservierungs- und Restaurierungswissenschaft in Österreich ist, und dass man in einem Roman natürlich auch bestimmte Dinge nicht eins zu eins wiedergeben kann oder möchte, ist mir auch bewusst. Aber da ich selbst Restauratorin bin haben sich mir bei der beschriebenen Bearbeitung der Malkunst durch die Bank die Haare gesträubt. Soetwas wäre zumindest in Deutschland ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht nur, dass bei einem so berühmten Werk eine einzelne Person da rumbastelt, auch die verwendeten Materialien und die Techniken sind nicht (mehr) auf dem neuesten Stand der Restaurierungswissenschaften. Und letzendlich fand ich die generelle Handhabe des Gemäldes schrecklich: erst in der Werkstatt, dann in einem Privathaus, dann kommt die Leinwand vom Spannrahmen, dann auf einen anderen, dann wieder zurück... schon allein die Vorstellung tut fast körperlich weh. Aber für die Geschichte musste der Autor anscheinend so viel Absurdistan wie möglich einbauen.

Insgesamt ist Rochade ein amüsanter Roman für gemütliche Lesestunden zwischendurch, auch wenn mir die Charaktere durch die Bank viel zu klischeehaft und kantenlos und die Handlung viel zu vorhersehbar war, um mich da richtig darin verlieren zu können. Auch das bekannte schwarz-weiß Denken - die Bösen sind alles Nazis, die Guten leisten alle Wiederstand - zieht sich durch die ganze Geschichte. Aber alles in allem eine nette Geschichte, bei der noch viel Luft nach oben gewesen wäre.