Ein Romandebüt das es in sich hat

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imperatorwilma Avatar

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Österreich befindet sich dabei, unter der Herrschaft eines jungen und aufstrebenden Kanzlers sich immer mehr in eine illiberale Demokratie zu verwandeln. Als nun eines der berühmtesten Gemälde aus dem Kunsthistorischen Museum Wiens einem Terroranschlag zum Opfer fällt, wirft dieser nun ein begehrliches Auge darauf. Er will es für sich haben, der Öffentlichkeit entreißen. Doch das passt Clemens Hartmann, dem Restaurator, der dafür verantwortlich ist, dass das Gemälde restauriert wird, überhaupt nicht. Er wird dazu gedrängt, es schneller zu restaurieren, als normalerweise an Zeit notwendig für qualitative Arbeit wäre. Das Risiko, dabei das Gemälde zu beschädigen ist in seinen Augen verantwortungslos hoch und auch ist Hartmann davon überzeugt, dass solch berühmte und wichtige Gemälde und Kunstgegenstände in Museen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Und so beginnt Clemens Hartmann damit, Pläne zu bereiten, wie er den Kanzler täuschen kann, ohne dabei jedoch sich selbst ins Schussfeld zu manövrieren.

Thematisch bietet das Buch ein Potpourri an Themen in Sachen Kunst und Politik. Beides wird gekonnt vom Autor in die Geschichte mit einbezogen. So erfährt man während des Lesens immer mehr über die Geschichte von Vermeers Die Malkunst, die ja das Gemälde ist, welches zur Begierde des Kanzlers geworden ist. Vor allem erfährt man vieles über die Methoden und die Arbeit der Gemälderestauratoren , aber auch Fälscher. Hier begleitet man beim Lesen unseren Protagonisten bei seiner Arbeit und erfährt in langwierigen Prozessen, was er da so macht. Für manche mag dies langweilig wirken, allerdings sind hier die interessanten Fakten so in die Geschichte mit eingebunden, dass sie Lesefluss in keiner Weise stören, sondern viel mehr notwendig für das Verständnis dieser sind. Neben der Kunst hat das Buch aber noch ein anderes ganz großes Thema, das unterschwellig, aber dennoch eine Omnipräsenz innehatte. Und zwar die Politik, oder, wenn man es genauer nehmen will, Kritik an Populismus und dem Bundesbasti. Beim Lesen fällt schon stark auf, dass die Figur des Kanzlers vom Verhalten, den politischen Ausrichtungen und auch dem Aussehen sehr stark an Sebastian Kur angelehnt ist. Und so gibt es auch immer wieder kleine Momente oder Nebenbemerkungen in der Geschichte, die diese Theorie füttern. "Drei Tageszeitungen wurden von einem Milliardär aufgekauft, einem Freund des Kanzlers." S. 277. Hier brauche ich nichts mehr zu sagen. Ich glaube, wer sich ein bisschen mit Kurz und seiner Gang beschäftigt hat, weiß, worauf der Autor hier anspielt. Neben der Thematik, die das buch für mich so außerordentlich spannend und lesenswert gemacht hat, hat das buch auch ein enormes sprachliches Niveau. Die Geschichte ist aus der Sicht von Clemens Hartmann geschrieben. Eigentlich bin ich kein großer Fan vom Ich-Erzähler, wohingegen er hier so eingesetzt wird, dass man als Leser:in das Gefühl bekommt, mit unserem Protagonisten schon lange bekannt bzw. befreundet zu sein, und er einem nun die Vorkommnisse und seine Gefühle schildert. So bekommt man nicht sehr viel über ihn durch charakterliche Beschreibungen präsentiert, sondern viel mehr, anhand seiner Gedanken und seiner Handlungen, seiner Reaktionen auf die Handlung. So zeichnet sich ein recht genaues Bild von ihm. Ich weiß zwar nicht, ob man unseren Protagonisten als Antihelden bezeichnen könnte, aber man merkt hier schon deutlich, dass er mit sich nicht ganz zufrieden ist, und auch äußerliche Faktoren, wie beispielsweise die Altlast seiner Nazifamilie ihm scher auf den Schultern liegen. Und hier ist es auch interessant, wie Clemens Hartmann bzw. seine Familie vom Autor in direkten Bezug zur Geschichte von Vermeers Gemälde gesetzte wird. Gefallen hat mir auch die Atmosphäre der Geschichte. Auf der einen Seite ist diese dunkel, düster und richtig packend, auf der anderen Seite bringt aber Hartmann als Protagonist eine enorme Ruhe in das Geschehen mit hinein. Diese strahlt er selbst aus und gibt sie an sein Umfeld, damit das Setting der Geschichte und die Geschichte selbst, weiter. Aufgefallen ist mir auch die enorme Qualität der Monologe Hartmanns und der Dialoge im Buch. Selten habe ich in einem solch authentische Gespräche verfolgen können.

Nach der Lektüre kann ich jetzt bestätigen, was ich währenddessen schon gewusst habe. Bei Rochade handelt es sich um ein ganz großes Meisterwerk der österreichischen Literatur, politisch und künstlerisch interessant.

Im Übrigen glaube ich nicht, dass die Farbe des Lesebändchens Zufall war...