Hinter den Bergen

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bücherkarin Avatar

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liegt Großzerlitsch, ein kleines abgeschiedenes Erzgebirgsdorf, in dem Romy nach dem viel zu frühen Tod ihrer Mutter bei ihrer Oma Lene aufgewachsen ist. Und alle anderen Bewohner waren auch wie Großeltern für sie. Das ganze Dorf war stolz, als ihre talentierte Romy in die Welt hinausging, um Schauspielerin zu werden. Diese Karriere verlief nicht ganz nach Romys Vorstellungen, zuletzt war sie Souffleuse in einem Provinztheater und selbst dort wird sie nach der geplatzten Premiere entlassen. Die Nachricht, dass Oma Lene gestorben ist, bringt sie zurück in ihr Dorf. Neben der Trauer um Lene mischt sich bei den Dorfbewohnern auch Neid, Lene hat noch ein Grab in Großzerlisch bekommen, nun gibt es hier nur noch zwei Grabstellen, und alle wollen in ihrem Dorf begraben sein....... So beginnt ein seltsamer Wettlauf: Bertram stellt sich immer gerade dann in der Kurve auf die Straße, wenn er weiß, dass Emil mit seinem Supermarktmobil kommt, Hilde turnt beim Fensterputzen wagehalsig herum, Asthmatiker werden zu Kettenrauchern und Leberkranke trinken übermäßig viel Alkohol.
Romy, die ihre "Alten" liebt, sinnt auf Abhilfe. Denn diese Dorf ist ein sterbendes Dorf. Alle, die früher aktiv und lebenslustig waren, sind jetzt Rentner, die jungen Leute sind weggezogen - was sollen sie in einem Dorf, in dem es außer dem "Muschebubu" nichts mehr gibt? Und auch Romy selbst braucht wieder eine Aufgabe. Eine tollkühne Idee reift in ihr: die alte große Scheune in ein elisabethanisches Theater umbauen und dort ihr absolutes Lieblingsstück "Romeo und Julia" aufführen.......Sie gewinnt zögerlich die ersten Mitstreiter - und so beginnt alles mit einer exakten Bauzeichnung, es folgt ein Modell, Berechnungen über notwendiges Material werden angestellt, Geld ist leider nicht viel vorhanden, aber es gibt da so gewisse Möglichkeiten..... und nach und nach kommen weitere Helfer, manche eher heimlich, aber im Grunde genommen sind alle froh, dem Nichtstun zu entfliehen und an einem gemeinsamen Projekt mitarbeiten zu dürfen. . Und so entsteht nach und nach, mit vielen Problemen und auch Rückschlägen ein elisabethanisches Theater in Großzerlitsch.
Und das Ensemble? Auch hier kann Romy nach und nach ihre "Alten" überzeugen, allerdings nur, nachdem sie ihren ehemaligen Schauspielerkollegen Ben als Regisseur verpflichten konnte. Ben ist ihnen als der "Frischedoktor" aus der Fersehwerbung bekannt und seinem Charme erliegen sie alle. Aber noch ist es ein langer Weg, bis Romy die Rolle ihres Lebens spielen kann.

"Nicht dem Leben Tage hinzufügen, sondern den Tagen Leben" - diesen Spruch würde ich als Leitmotiv über den Roman von Andreas Izquierdo setzen. Mit viel Wärme und Verständnis bringt er uns nahe, dass auch ältere Menschen noch eine Aufgabe brauchen und glücklich sind, wenn sie gefordert werden. Gemeinsam an einem Projekt arbeiten, jeder nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten, das macht Spaß und gibt Befriedigung. Manche sind so begeistert bei der Sache, dass es über ihre Kräfte geht - und trotzdem, sie waren noch einmal richtig aufgelebt.
Ich bin unsicher, ob es unbedingt nötig war, auch die Stasi und die Russenmafia mit einzubauen, sie sind für das eigentliche Anliegen des Buches nicht notwendig, zeigen aber andererseits, dass auch an Großzerlitsch das Leben nicht vorbeigegangen ist.
Ein unbedingt lesenswerter Roman, voller Leichtigkeit und Humor geschrieben, der sehr nachdenklich stimmt.