Lebensgefährlicher Kick

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regenprinz Avatar

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Das neue Jugendbuch von Jutta Wilke hat mir wirklich gut gefallen. Es beginnt sehr spannend und zieht den Leser sofort in die Geschichte hinein.
Etwas Schreckliches ist passiert - der Junge mit den roten Turnschuhen ist offenbar abgestürzt und Alices beste Freundin Nasti liegt heulend in ihrem Bett. Ebenso am Boden zerstört wie Alice selbst, die von den Ereignissen tief getroffen scheint. In Rückblenden und wechselnden Perspektiven wird erzählt, was genau passiert ist bzw. wie es dazu kam. Die Figuren wirken dabei authentisch, d.h. weder aufgesetzt noch überzogen, und man erfährt viel über ihren jeweiligen Hintergrund, z.B. was ihre Herkunftsfamilien betrifft.
Das eigentliche Thema "Roofing", also Fassadenklettern oder auf hohe Dächer, Türme, Baukräne steigen, fand ich ebenfalls gut dargestellt. Es wird klar, was den Reiz daran ausmacht. Selbst für ein Mädchen wie Alice, die eher mit Schwindel und Panik angesichts großer Höhen zu kämpfen hat, ist das Gefühl von Freiheit unter dem Himmel spürbar.
Aber den Inhalt des Buches darauf zu beschränken, wäre falsch. Es reißt mehrere Problemfelder an, z.B. welcher Gruppendruck unter Jugendlichen herrschen kann und ihr Handeln beeinflusst, wie problematisch die gehypten YouTube-Videos sich auswirken, mit denen die Roofer ihre Kletterei dokumentieren usw. Auch die Themen Freundschaft und erste Liebe werden meiner Meinung nach hier recht tiefgründig abgehandelt. Mit persönlich am besten hat die Figur des Nikolas gefallen - ein unheimlich starker Charakter, der weit am Rand der Gesellschaft lebt und dem ich beim Lesen ständig eine neue Chance wünschte. Seine Passagen habe ich wirklich verschlungen.
Generell fand ich die Fragen, die das Buch stellt, wichtig und jeder Leser muss sie im Grunde für sich selbst beantworten. Lohnt es sich, sein Leben oder seine Gesundheit für einen schnellen Kick zu riskieren? Oder um geliebt zu werden? Was zählt wirklich im Leben?
Die schnörkellose Sprache des Romans passt insgesamt gut zum Inhalt.