Wenn deine beste Freundin einen Roofer liebt ...

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Alice und Nasti sind ein Herz und eine Seele. Alice hat es nach dem Tod ihres Vaters nicht leicht gehabt und muss sich zuhause mit einem anspruchsvollen Stiefvater auseinandersetzten. Ihre Freundin Nasti ist erst vor kurzem nach Frankfurt gezogen und spielt die Rolle eines unkonventionellen Paradiesvogels. Als Nasti den Jungen Trasher kennenlernt, gerät sie in die Szene jugendlicher Roofer, die auf Großbaustellen herum klettern und die Action-Cam-Aufnahmen ihrer Mutproben im Internet hochladen. Roofer klettern immer vermummt, damit sie auf den Videsos nicht identifiziert werden können und Roofer haben als Gruppe einen strengen Ehrenkodex. Seit zwischen Trasher und Adrian ein erbitterter Konkurrenzkampf herrscht, sind sie nicht mehr nur in den halbfertigen Gebäuden unterwegs, sondern auch auf Eisenträgern, die aus den Gebäuden herausragen. Als Trasher gemeinsam mit Nasti für die ultimative Szene posen will, versucht Alice das unbedingt zu verhindern. Da Alice von Beginn der Beziehung zwischen ihm und Nasti deutlich eifersüchtig auf den Kletterer war, ist ihre Überzeugungskraft Nasti gegenüber eher schwach. Doch vorher kommt es zum Zusammentreffen von Alice mit Nikolaus, der früher mit der Truppe geklettert ist, aber nicht so ehrgeizig unterwegs ist wie Trasher und Adrian. Nikolaus verspricht Alice den Himmel – und das scheint genau die Tonlage zu sein, die sie in ihrem Leben bisher vermisst hat.

Nach einem Prolog und einer Video-Sequenz zu Beginn wird in sehr kurzen Kapiteln die Geschichte abwechselnd in der Ichform von Alice erzählt und (abgesetzt in anderer Schrifttype) von einem neutralen Beobachter, der Nikolaus‘ Wegen folgt. Der Wechsel der Erzählerstimme und das anfängliche Rätseln, wie Nikolaus mit der Truppe von Trasher verbunden ist, sorgen von Beginn an für Spannung. Die Ichperspektive blendet leider einige Dinge aus, die mich an den jugendlichen Figuren interessiert hätten. Jugendromane sollen u. a. Einblick in fremde Lebenswelten geben, ohne dass man dazu selbst in den Einbaum oder den Gleitschirm steigen muss. Für jugendliche Leser hätte ich mir mehr Einblick in das „Wie“ gewünscht – wie ist es, Alice zu sein oder Trasher. Außer Alice und Nikolaus wirkten die Figuren auf mich eher skizzenhaft schwarz-weiß gezeichnet. Bei Nasti und Bee fand ich das reichlich unbefriedigend. Alice als Berichterstatterin steht dem Roofing kritisch gegenüber. Eine Einfühlung in die Motivation der Roofer-Clique kann man also weder von ihr noch von Nasti erwarten, die sich für die Rolle des bewundernden Groupies entschieden hat. Soziale Probleme wie Obdachlosigkeit, das Leben mit alleinerziehenden Elternteilen oder in Patchworkfamilien wirken nur angerissen, so wie Alices Narben, die das Ritzen an ihren Armen hinterlassen hat, nur kurz sichtbar werden. Die von Alice erzählten Kapitel haben mich sprachlich nicht völlig überzeugt, weil an einigen Stellen die Schriftsprache der erwachsenen Autorin den knappen Stil jugendlicher Smartphone-Nutzer verdrängt. Insgesamt ein fesselnder Plot, der mir als erwachsener Leserin streckenweise zu oberflächlich blieb und dessen Erzählperspektive mich nicht überzeugen konnte.