Zwiespalt zwischen politischer Arbeit und Wunsch nach bürgerlichem Leben

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rflieder Avatar

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Ich tue mich schwer mit der Idee, einen sehr persönlichen Roman über eine reale, eher umstrittene Person der Weltgeschichte zu schreiben, in dem die politischen Aktivitäten zwar chronologisch (teilweise etwas zu wenig konkret) beschrieben werden, aber die schwierige Beziehung Rosa Luxemburgs zu dem Sozialisten und Revolutionär Leo Jogiches und ihr angeblicher Wunsch nach einem bürgerlichen Leben mit Ehemann und Kind und Katze im Vordergrund steht.

Auch die Autorin Charlotte Roth ist sich offenbar ihrer Sache nicht sicher und empfiehlt im Vorwort, die Biografie von Ernst Piper zu lesen und den Film von Margarete von Trotta anzusehen.

Statt dessen recherchierte ich zwischendurch immer wieder im Internet nach den handelnden Personen und den Ereignissen vom Verbot der sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands bis zur Zeit nach dem 1. Weltkrieg und konnte so meine Kenntnisslücken über diese Zeit teilweise schließen. Schon dafür hat sich das Lesen des Romans gelohnt. Charlotte Roth muss ich zugute halten, dass sie die Historie gut recherchiert hat.

Auch die Lebensbedingungen der Menschen im allgemeinen wie auch der politisch im Widerstand lebenden Protagonisten werden nachvollziehbar dargestellt.

Es dauerte aber bis fast zur Hälfte des Buchs, bis ich mich eingelesen hatte. Als roter Faden zieht sich durch den Roman der Widerspruch, politisch gegen das System zu arbeiten und zugleich in einer festen Liebesbeziehung zu leben. Während Leo die Arbeit über alles stellt und Persönliches total ablehnt, weil er weiß, dass er seine Partnerin gefährden würde, ist Rosa sehr emotional und wünscht sich nicht nur eine feste Beziehung, sondern auch Kinder. Dabei wird sie als sehr sympathischer „Gutmensch“ beschrieben, der Menschen (und Tiere) liebt und deshalb dafür arbeitet, dass die Menschen ein besseres Leben erhalten. Und das alles ohne Rücksicht auf ihre Krankheit und unter Verzicht auf ein gutbürgerliches Leben, das ihr infolge ihrer Herkunft möglich gewesen wäre. Sie nimmt in Kauf, festgenommen oder sogar umgebracht zu werden und muss wiederholt untertauchen. Die gleiche Radikalität zeigt sie auch ihren politischen Gegnern gegenüber wie auch andersdenkenden „Freunden“ aus ihrer Partei, der Sozialistischen Arbeiter Partei Deutschlands (Vorgänger der SPD).

Diese Kompromisslosigkeit passt irgendwie nicht zu der ausschließlich sympathischen Darstellung Rosa Luxemburgs in diesem Roman und es bleiben Zweifel, wie realistisch die Handlung ist. Trotz aller Einwände ist es ein lesenswerter Roman.