Ein hartes Leben, das russische Geschichte wiederspiegelt und die Erinnerung daran muss bleiben

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
bigz Avatar

Von

Alexander, alleinerziehender Vater einer kleinen Tochter zieht gerade ein, in ein Wohnhaus in Minsk. Etwas verwundert über das rotes Kreuz, dass er gerade an seiner Wohnungstür entdeckt hat, bekommt er rasch Aufklärung darüber, was es damit auf sich hat, denn Tatjana, seine über 90-jährige Nachbarin, taucht plötzlich hinter ihm auf und erklärt, dass sie das Kreuz dorthin gemalt hat, um sich zu erinnern, wo sie wohnt, weil sie Alzheimer hat und langsam all ihre Erinnerungen verliert. Sehr nachdrücklich bittet sie Alexander zum Tee und so muss sich dieser, zuerst eher widerwillig, einige der Erinnerungen der alten Frau anhören, obwohl er doch wirklich genug mit seinem eigenen Schicksal zu kämpfen hat und ja selbst gerade versucht, sich ein neues Leben aufzubauen, für sich und seine kleine Tochter. Aber die alte Dame lässt nicht locker und langsam entwickelt sich durch die wiederholten Treffen eine vertraute freundschaftliche Verbindung zwischen den beiden so unterschiedlichen Menschen. Und auch Alexander kann hier sein Innerstes öffnen und bei Tatjana Mitgefühl und Anteilnahme finden.
Die Erinnerungen der alten Frau sind ungeheuer bewegend erzählt und spiegeln sehr adäquat die Geschichte Russlands des 20. Jahrhunderts wieder. Gefühl und menschliches Leid begleiten dieses Geschichte, ihre Geschichte und die Geschichte ihres Landes, die niemals vergessen werden darf, das ist Tatjanas letzter großer Wunsch. Sie fleht geradezu darum, das Alexander sich ihrem Leben öffnet und ihre Erinnerungen für sie und alle Menschen bewahrt.
'Das ist alles, was sie noch will, denn Gott hat sie ausgetrickt. Sie wollte ihm ihre Erinnerungen ins Gesicht schleudern, ihm in die Augen schauen und ihn zwingen, sich dem zu stellen, was er hat geschehen lassen. Doch jetzt geht ihre Erinnerung und Gott hat gesiegt. Er muss sich dem Grauen ihrer Geschichte also nicht stellen, wenn sie bei ihm anklopft, an der Himmelspforte'. Das sind Tatjanas Worte und dem ist nichts hinzuzufügen. Ein sehr empfehlenswertes Buch!