Ergreifend und schonungslos

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mianna Avatar

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"Das Glück hat immer eine Vergangenheit (...) und jeder Kummer hat eine Zukunft."

Die 90 jährige Tatjana hat Alzheimer, doch es gibt vieles, das sie nicht vergessen kann und möchte. Ihr Leben ist eng mit den tragischen Geschehnissen des 20. Jahrhunderts in Russland verknüpft. Gegen das Vergessen drängt sie sich mit ihrer "Biographie der Angst" ihrem neuen Nachbarn Alexander auf. Dieser trägt jedoch selber schwer am Leben.

Die Geschichte von der Tatjana erzählt, hat ein ungeheures Gewicht. Ihre Erlebnisse während und nach dem Krieg, die Repressionen gegen die eigene Bevölkerung und der Umgang mit Kriegsgefangenen sind zutiefst erschreckend. Gleichzeitig wird deutlich wie geschichtliche Fakten von Bevölkerungsteilen verharmlost und beschönigt werden. Die kritische und vielstimmige Herangehensweise an diese Thematik ist sehr bereichernd.

Der Autor schafft durch seine nüchterne und distanzierte Erzählung einen Ausgleich zwischen den dramatischen Geschehnissen und dem berührenden Schicksal Tatjanas. Es ist angenehm, dass es emotional nicht so sehr in die Tiefe geht. Das scheint bei dem emotional aufgeladen Thema auch nicht nötig.

Die Erzählung hat einen starken Spannungbogen und wirkt mitreißend. Die Sprache ist besonders durch den schwarzen/schonungslosen Humor gekennzeichnet. Viele Textpassagen sind sehr deutlich und aussagekräftig. So spielen die "roten Kreuze" in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle in der Erzählung. Sie sind mit Bedeutung aufgeladen.

Insgesamt ist das Buch sehr zu empfehlen. Eine starke Thematik, die trotz der Dramatik mit einer gewissen Distanz umgesetzt wurde.