Erinnerungen gegen das Vergessen

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april1985 Avatar

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"Rote Kreuze" ist ein leichtes Büchlein mit schwerem Inhalt. Es geht um die an Alzheimer erkrankte 90-jährige Tatjana Alexejewna, welche ihrem neuem jungen Nachbarn mit viel Herz ihre Lebensgeschichte erzählt. Dieser ist zu Beginn alles andere als begeistert von der aufdringlichen alten Dame - kein Wunder, hat er doch selber eine Menge eigene Probleme. Während Tatjana von der russischen Schreckensherrschaft erzählt, entwickelt sich aber doch eine ungewöhnliche Freundschaft.
⭐⭐⭐⭐
Der Autor Sasha Filipenko hat für dieses grausame Portrait Russlands ausführlich recherchiert. Sehr gut finde ich die im Buch zitierten, historischen Originaldokumente. Der Schreibstil des Autors ist trotz der harten Kost sehr leichtgängig, teilweise auch humorvoll. Das spiegelt sich vorallem in Tatjana wieder. Diese ist mir mit ihrer teils nervigen und sehr sarkastischen Art richtig ans Herz gewachsen. Alexander ist ein vom Schicksal gebeutelter Protagonist, der einem nachdenklich stimmt. Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können und dennoch irgendwie zusammen passen, treffen hier aufeinander. Der Autor hat die beiden Einzelschicksale gut miteinander verwoben, wobei man im Fall von Tatjana eigentlich nicht von einem Einzelschicksal sprechen darf. Denn wie Sasha Filipenko selbst sagt, ist Tatjana eine Stellvertreterin "für alle tapferen Frauen in Russland, die nach wie vor, trotz ihres hohen Alters, unentwegt weiterkämpfen für die Wahrheit und das Recht auf Gedenken". (Zitat von Sasha Filipenko aus "Rote Kreuze" Seite 282/283)
⭐⭐⭐⭐
Was ich etwas schade finde ist, dass die aufkeimende Freundschaft bei den ganzen historischen Fakten ein bisschen ins Hintertreffen gerät.
⭐⭐⭐⭐
Fazit: "Rote Kreuze" ist eine Geschichte mit historischen Fakten und liebevollen, ein bisschen schrulligen Protagonisten. Ich würde sie all jenen empfehlen, die Interesse am sowjetischen Zeitgeschehen haben und auch gerne mal zu etwas schwererer Kost greifen. Denn obwohl das Buch "nur" rund 280 Seiten umfasst, sollte man schon Zeit und Muße zum Lesen mitbringen.