Kriegsende bedeutet nicht Ende des Leidens - Ein Roman, der nachwirkt

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karla kolumna Avatar

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"Rote Kreuze" ist ein sehr ernster, dramatischer Roman, der sehr realistisch wirkt. Thematisiert wird das ungewöhnliche Schicksal von Alexander, dem neuen Nachbarn von Tatjana Alexejewna, welches sehr berührt und schockiert. Allerdings wird dieses nicht wirklich intensiv perspektivisch ausgeführt. Es gibt keinen weiteren Ausblick auf seine unmittelbare Zukunft und lässt sich dennoch so akzeptieren. Denn den Großteil des Buches dominiert die Biografie der alten, an fortgeschrittenem Alzheimer erkrankten Frau, was mindestens genauso packend ist und auch zu Ende gedacht wird.

Der Roman ist kein leichter und obwohl er nicht besonders umfangreich an Seiten ist, habe ich ihn nicht einfach so nahtlos weglesen können. Eine Pause zwischen den jeweiligen Kapiteln war oft notwendig, auch um so Manches sacken zu lassen. Teilweise ist das Geschriebene sehr politisch und auch der politische Schriftwechsel gestaltet sich für mich beim Lesen oft als zäh. Dennoch bin ich froh, intensiv am Buch geblieben zu sein, denn gerade zum Ende hin öffnet sich dieses für mich auf emotionaler Ebene: Die zunächst skeptische, distanzierte Beziehung zwischen Alexander und Tatjana entwickelt sich zu etwas Intimen, Vertrauten. Alexander lässt Gefühle zu und öffnet sich (vermutlich auch wegen ihrer Vergesslichkeit) seiner Nachbarin. Tatjana teilt wiederum ihr tragisches Schicksal durch lange Gespräche mit ihm, welches ihn tief berührt.

Der Buchtitel ist doppeldeutig: Einerseits politisch motiviert, aber auch persönlich durch Tatjanas Vorgehensweise zur eigenen Orientierung innerhalb ihres Alltags. Tatjana ist eine starke Frau, die viele persönliche Verluste, Demütigungen, seelische und körperliche Qualen ertragen hat. Für ihr eines Ziel! Sie ist so diszipliniert, hofft und wartet jahrzehntelang... Doch kann sie es je erreichen? Kann sie Frieden mit ihrem Leben schließen? Sich selbst vergeben für etwas, das eher in ihrem Kopf stattgefunden hat und dennoch nachvollziehbar ist... Leider bedeutete das Kriegsende nicht das Ende von Qualen, Leiden, Ungerechtigkeiten. Dies wird mehr als deutlich, während ich Tatjanas Leidensweg verfolge. Das Ende kommt ernüchternd, mit einer für mich dramatischen, bitteren Wendung. Ist das Leben fair? Wie viel Schmerz lässt sich ertragen? Der Roman endet erschütternd und dennoch friedlich. Ich lege das Buch zur Seite und denke - berührt von der brutalen Ironie des Schicksals - intensiv über die letzten Seiten nach.