Rote Kreuze gegen das Vergessen

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Rote Kreuze gegen das Vergessen. Als Alexander, ein junger Mann, der einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat, in eine neue Wohnung in Minsk einzieht, entdeckt er ein rotes Kreuz auf seiner Tür. Als er das abwischen will, taucht seine Nachbarin auf, eine 91jährige Frau, die an Alzheimer erkrankt ist, und die das Kreuz zur Orientierung an die Tür gemalt hat.
Zunächst reagiert Alexander unwillig auf ihren Redefluss , aber Tatjana Alexejewna läßt nicht locker und so beginnt das Erzählen gegen das Vergessen.
Die alte Dame erzählt in Etappen ihre Lebensgeschichte, die zugleich Jahrzehnte russische Geschichte umfasst.
Sie hat den Mann ihres Lebens kennengelernt und ist Mutter einer Tochter geworden. Sie arbeitet im Innenministerium und hat Einblick in viele geheime Dokumente. Im 2. Weltkrieg gerät ihr Mann in Gefangenschaft und sie erfährt aus Briefen vom Roten Kreuz in Genf, dass es Bemühungen gibt, Listen auszutauschen, damit die Staaten bzw. Familienangehörigen erfahren, wo die Männer geblieben sind. Doch es gilt in der Sowjetunion die Order, darauf nicht zu reagieren, da alle Kriegsgefangenen als Volksverräter angesehen werden. Ihre Familien werden verfolgt und in Lager gesteckt.
Auch Tatjana kommt aus nichtigem Grund in ein Umerziehungslager, ihre Tochter in ein Kinderheim. Es ist die Zeit des Terrors unter Stalin, seine Säuberungsaktionen, wo viele Menschen gefoltert werden, unter unmenschlichen Umständen leben müssen, Kinder an Unterernährung sterben oder Menschen aus Willkür erschossen werden. Jahrelang weiß Tatjana nicht, ob Mann und Kind noch leben. Es nimmt den Leser schon sehr mit, Tatjana in diesen Zeiten zu begleiten, Originaldokumente unterstreichen das Dokumentarische in diesem Roman.
Es ist ein Roman gegen das Vergessen und insofern wichtig, dass das alles aufgeschrieben wurde. Bevor Tatjana ganz der Alzheimer Krankheit anheim gefallen ist, will sie ihr Geschichte noch für die Nachwelt erzählen. Alexander erzählt zwischendrin auch von seinem Leid, und so entwickelt sich eine gemeinsame Aufarbeitung von Lebensschicksalen.

Sasha Filipenko hat einen spannenden und berührenden Roman geschrieben, teils lakonisch, teils mit Humor und teils dokumentarisch untermauert, wobei das manchmal seitenlange Zitieren der Originaldokumente etwas langatmig war bzw. der Lesefluss etwas stagnierte. Dennoch gemahnten diese Dokumente auch immer wieder an die verzweifelten Appelle des Roten Kreuzes an die Menschlichkeit.