Zwei unterschiedliche Leben

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sikal Avatar

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Alexander ist ein junger Mann, der einen schweren Schicksalsschlag zu erleiden hatte und nun mit seiner drei Monate alten Tochter ein neues Leben beginnen möchte. Dafür zieht er nach Minsk in eine neue Wohnung und trifft dort auf seine Nachbarin Tatjana Alexajewna, die an Alzheimer erkrankt ist. Tatjana orientiert sich anhand roter Kreuze, die sie bereits ihr gesamtes Leben begleitet haben.

Tatjana beginnt ihr Leben vor Alexander auszubreiten, erdrückt ihn anfangs mit ihrer Geschichte, wo er doch selbst noch mit seiner eigenen zu kämpfen hat. Doch Tatjana redet einfach drauflos solange sie sich noch erinnern kann, und irgendwann beginnt Alexander Fragen zu stellen. So entsteht eine Verbindung und Vertrauen zwischen den beiden – mitten in den Erinnerungen an die Zeit des Krieges, an die stalinistischen Säuberungsaktionen, an ihre erste große Liebe, an eine schwere Schuld, die sie auf sich genommen hat und vieles mehr. Zwischendurch erfährt man auch vom Schicksal Alexanders, das ebenfalls nicht so ohne ist.

Der Autor Sasha Filipenko schreibt diese aufrüttelnde Geschichte mit einer emotionslosen Sprache und trotzdem (oder gerade deshalb) kann man sich von dem Buch nicht lösen und spürt den Nachhall noch nach Tagen.

Tatjanas Geschichte wider das Vergessen ist sehr präsent und verdrängt irgendwie Alexanders Geschichte. Und auch Alexander scheint selbst von seinem Schicksal abgelenkt zu werden. Das Ende finde ich sehr gelungen und wieder rundet das rote Kreuz ab.

Ein lesenswertes Buch über ein Leben im 20. Jahrhundert, das zeigt welche Entscheidungen oft ein Leben lang Einfluss haben und auch ein Schicksal, das zeigt, dass es keinen Krieg braucht um eine persönliche Tragödie zu erleben. 4 Sterne